«Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, schalte ich den Computer ein und schaue, wer online ist. Ich treffe mich mit meinen Game-Freunden auf der Kommunikationsplattform Discord. Dort vernetzt man sich und redet miteinander, während man gemeinsam online spielt oder Filme schaut.
Das digitale Haus ist niemals leer
Das Gegenteil von Einsamkeit: Durch das Gamen hat Marco Schmid neue Freunde kennengelernt.
Illustration: QuickHoney / Peter Stemmler

Unser Freundeskreis ist während der Corona-Pandemie entstanden. In jenem Jahr haben wir fast jeden Abend zu fünft das Game «League of Legends» gespielt. Es war, als würden wir alle in einer riesigen Wohngemeinschaft leben. Man kam und ging, wann man wollte, im digitalen Wohnzimmer war immer jemand anzutreffen.
Bald haben wir uns auch im realen Leben an einer Geburtstagsfeier getroffen. Mit einigen gehe ich inzwischen regelmässig Pizza essen.
Das Spielen verbindet
Fast jeden Abend sind wir miteinander im Austausch und zwischendurch sehen wir uns persönlich. Dabei entstehen Gespräche, die über Games hinausgehen. Wir teilen Privates und unterstützen uns gegenseitig. Einer aus diesem Freundeskreis hat mir sogar geholfen, mit dem Rauchen aufzuhören.
Ich denke, ich habe meine Game-Freunde schon von Anfang an sehr intensiv kennengelernt, weil wir im Spiel gemeinsam Extremsituationen bewältigen mussten. Vor dem Bildschirm entwickeln wir zusammen Strategien und treffen schnelle Entscheidungen. In solchen Momenten wirst du schnell sehr emotional und regst dich manchmal auf, wenn nicht alles nach Plan läuft. Darum lerne ich durch das Game auch, geduldig zu sein mit den anderen Spielern. Wir erleben auch viele schöne Momente, in denen wir einander loben und uns freuen, wenn jemand beim Spielen Glück hatte.
Möglichkeit des Rückzugs
Für Introvertierte kann das Gamen schnell zur Ausrede werden, nirgendwo hinzugehen. Dann kann es einsam machen. Auf mich trifft das nicht zu: Ich treffe mich gern mit Menschen und sage selten ein Treffen ab. Ich freue mich sogar, meinen Game-Freunden zu sagen: Ich muss nun los, bin an ein Fest eingeladen. Danach werde ich ihnen davon erzählen, auch darauf freue ich mich. Zugleich geniesse ich es, nach der Arbeit oder nach einer Party in die Game-Welt abzudriften.
Obwohl ich mich lieber direkt mit Menschen treffe, sind mir die Game-Freundschaften sehr wichtig. Denn ich wohne auf dem Land und viele meiner Freunde in unterschiedlichen Städten. Ich kann also nicht einfach spontan jemanden treffen.
Mir tut es gut, trotzdem jeden Abend mit jemandem zu reden. Ich kann einfach in den Discord-Voicechat gehen und schauen, wer in der digitalen Stube sitzt. Ich bin überzeugt: Digital ist besser als gar kein Kontakt, aber dann bewusst und intensiv.»