Am Abend habe ich eine halbe Stunde Kommentare gelöscht. Zwei Tage zuvor hatten Lernende eine Petition für acht Wochen Ferien in der Lehre eingereicht. Im strömenden Regen hielt auch Lea, eine junggrüne Lernende, eine Rede. Ich filmte sie. Das Video hat auf Instagram über 35 000 Views, auf Facebook knapp 200 Kommentare: wie «faul, dumm und hässlich Lea und diese Grünen!!!1!!» doch seien. Beim Löschen frage ich mich, ob diese Leute das Lea auch ins Gesicht gesagt hätten.
Die Kontrolle der Kommentare war Teil meines Nebenjobs bei den Jungen Grünen Schweiz. Aber Social Media sind nicht nur mein Nebenjob. Auch mir selbst folgen auf Instagram über 1300 Konten. Die App hat grossen Einfluss auf mein Leben, meine Beziehungen, Informationsquellen und meine Selbstwahrnehmung.
Das grosse Durcheinander
Das zu schreiben, ist mir unangenehm. Ich überlege, den Satz wieder zu löschen. Ich lasse ihn stehen. Social Media haben ja auch gute Seiten: Im letzten Winter ging die Rede von Marianne Edgar Budde bei Trumps Einsetzung viral und machte Millionen Menschen Hoffnung. Im Mai war Budde zum Evangelischen Kirchentag in Hannover eingeladen, wo sie mich und Tausende andere tief beeindruckte und inspirierte.
In meinem Feed verschwinden die News zwischen Urlaubsfotos von Freundinnen und Freunden, Tweets von Trump, lustigen Katzen und hungernden Kinder aus Gaza. Zeit und Skala verwischen, der Content unterliegt allein den Algorithmen: Aufmerksamkeit, Klicks, Reichweite.