Das wandelnde Lexikon beim Radio

Medien

Die Uni Bern verlieh Judith Wipfler den Ehrendoktor. Die Radiofrau versteht es, komplexe religiöse Zusammhänge verständlich zu vermitteln. Wer ist die Theologin am Mikrofon?

Judith Wipfler sieht sich als Aufklärerin: «Mein Anliegen ist es, dass die Themen Religion, Kirche und Bibel im säkularen Journalismus nicht vergessen gehen.» Für diese Wissensvermittlung beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hat Wipfler im Dezember den Ehrendoktor der Universität Bern erhalten. Wipfler verstehe es, komplexe religiöse, gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge verständlich und differenziert zu erklären, und sie begleite den interreligiösen Dialog kritisch, urteilt das Gremium. «Diese Auszeichnung bedeutet mir enorm viel, denn es zeigt: Es wird wahrgenommen, was ich mache», sagt die 47-jährige Theologin.

Gegen den Bibelnotstand

Seit 22 Jahren arbeitet Wipfler bei SRF. Heute leitet sie die Fachredaktion Religion von Radio SRF, verantwortet sechs Sendungen, unter anderem die Radiogottesdienste, «Perspektiven» und «Ein Wort aus der Bibel». Letzteres gibt es seit 46 Jahren. Einmal wöchentlich wählt Wipfler für die Sendung eine Bibelstelle aus. «Dieses Format ist wichtiger denn je, weil wir einen Bibelnotstand haben.» Die Leute wüssten darüber immer weniger. Deshalb will Wipfler die Bibel als Kulturgut unter die Leute bringen. «Bibel, Religion sowie Kirche sind wie eine Schatztruhe, die so viele Geschichten und Erklärungen birgt.»

Mein Anliegen ist es, dass die Themen Religion, Kirche und Bibel im säkularen Journalismus nicht vergessen gehen.
Judith Wipfler, Theologin und Journalistin bei Radio SRF

Judith Wipfler ist wortgewandt. Denkt schnell und vernetzt. So erstaunt es nicht, dass sie zu praktisch jedem aktuellen Thema eine Brücke zu Religion und Bibel schlagen kann – egal ob zum Bettelverbot in Basel oder zum Trend des Veganismus, den sie bereits im biblischen Buch Daniel geschildert sieht. Dafür aber ist ein breites Wissen notwendig. «Eine Kollegin nannte mich ein wandelndes Lexikon», sagt sie stolz und ein bisschen geschmeichelt. Die Kolleginnen und Kollegen schätzen neben ihrem Wissen ihre Professionalität und ihr Netzwerk, das über die Schweizer Grenze hinausreicht. Sie selber schildert sich als «kritisch aufgeklärte feministische Theologin».

Auf der Suche nach Tönen

Wenn Judith Wipfler von ihrer Arbeit als Journalistin erzählt, leuchten ihre Augen. Sie liebt an ihrem Beruf, dass sie täglich Neues lernt. Auch nach 22 Jahren begeistert sie das Radiomachen. «Mit dem Mikrofon in der Hand kann ich unaufwendig ganze Welten einfangen.» Wipfler erzählt, wie sie mit dem Mikrofon durch die Jerusalemer Altstadt spaziert, sich von Tönen und Stimmen treiben lässt. Seit Corona arbeitet Wipfler mehrheitlich von zu Hause. Interviews finden per Telefon statt. Die Moderationen nimmt sie im geöffneten Kleiderschrank auf, weil dort die Kleider den Hall am besten dämpfen.

Mit dem Mikrofon in der Hand kann ich unaufwendig ganze Welten einfangen
Judith Wipfler, Theologin und Journalistin

Aufgewachsen ist die in Basel lebende Journalistin «stockreformiert» im deutschen Speyer. Bereits im Gymnasium sei ihr klar gewesen, dass sie Theologie studieren würde. Besonders interessierte sie sich für den wissenschaftlich fundierten, historischen Umgang mit dem Christentum. Sie träumte damals nicht vom Pfarramt, sondern von der Arbeit als Lektorin. Für das Theologiestudium kam sie im Jahr 1995 in die Schweiz. Seither ist sie geblieben, erhielt den Schweizerpass.

Vielseitig engagiert

Wenn Wipfler nicht am Radiopult steht, engagiert sie sich ehrenamtlich: etwa beim Schweizerischen Verein für Täufergeschichte, bei der Stiftung für Christlich-Jüdische Projekte oder der Basler Bibelgesellschaft. Sie sitzt auch im Vorstand des Schweizer Hilfswerks Kiriat Ye­arim, das benachteiligte Jugendliche in Israel bei ihrer sozialen Integration unterstützt.

In ihrer Freizeit spielt Wipfler Querflöte, büffelt modernes Hebräisch, das sie fliessend spricht, oder geht gerne wandern. Die durch und durch reformierte Journalistin hat ein Faible für Gegenstände, die der religiösen Verehrung dienen. Neben Heiligenfiguren und Ikonen liebt sie insbesondere die bekannten Raffael-Engel. Diese schmücken nicht nur den Regenschirm, den sie beim Treffen dabei hat. Diese seien auch in ihrer Wohnung  überall präsent, etwa auf dem Toilettendeckel und dem Lavabostöpsel. «Ich weiss, das ist total unreformiert», gesteht Judith Wipfler selbstkritisch. Gleichzeitig guckt sie verschmitzt. «Aber das ist fürs Herz.»

Religionssendungen im Radio

Stichwort Religion

Jede Woche erklärt die SRF Fachredaktion Religion ein aktuelles «Stichwort Religion». Es sind Begriffe aus dem weiten Feld der Kirchen und Religionen, die in der Woche gefallen oder aufgefallen sind und hier nun kurzweilig und auf Mundart verständlich gemacht werden.  

www.srf.ch/audio/stichwort-religion

Radiopredigt ​

An Sonn- und Feiertagen um 10.00 Uhr römisch-katholische, christkatholische, evangelisch-reformierte oder freikirchliche Predigt.

Predigt Archiv (lesen, hören): www.radiopredigt.ch

Ein Wort aus der Bibel​

Ausgewählte Textlesungen aus der Bibel, auch aus neuen Bibelübersetzungen, Hörbuchproduktionen. Am Sonntagmorgen sowie an hohen christlichen Feiertagen auf Radio SRF 1 und Radio SRF 2 Kultur. Sonntag: 6.42 Uhr und 8.50 Uhr, Radio SRF 1; Sonntag: 7.05 Uhr, Radio SRF 2 Kultur.

Radiogottesdienst

In Zusammenarbeit mit ausgewählten Kirchgemeinden werden jährlich zehn Gottesdienste direkt übertragen.

Perspektiven

Themenvertiefung und Hintergrundinformationen zu menschlichen Grunderfahrungen, über Glaube, Zweifel, Glück. Anregungen zum Nachdenken und Orientierungshilfen in unserer pluralistischen Welt.

www.srf.ch/audio/perspektiven