Gesellschaft 25. September 2025, von Cornelia Krause

Mit Kindern über Krieg und Krisen reden

Erziehung

Die Nachrichtenlage alarmiert auch Kinder. Journalistin Sara Bildau hat sich damit befasst, wie Eltern ihre Kinder unterstützen und über den Schrecken in der Welt sprechen können.

«Mama, kommt der Krieg auch zu uns?» Die Frage ihrer Tochter am Frühstückstisch inspirierte Nachrichtenmoderatorin Sara Bildau zur Recherche über ein Thema, das spätestens seit Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Eltern umtreibt. Wie können sie mit Kindern über das sprechen, was man ihnen eigentlich nicht zumuten will? Krisen, Kriege, den Verlust von Heimat oder gar Leben. 

Für einen umfassenden Elternratgeber befragte die ZDF-Journalistin Psychologinnen und Medienwissenschaftler. Die Empfehlungen fallen je nach Alter unterschiedlich aus. Ein «zu jung» für Informationen gebe es grundsätzlich nicht, sagt der Psychologe Malte Mienert. Kinder im Vorschulalter sollten nicht aktiv mit zu komplexen Themen konfrontiert werden. Vielmehr gelte es, auf die Fragen zu warten und den Überlegungen, die sich dahinter zeigen, nachzugehen, die oft einen Bezug zur eigenen Lebenswelt hätten. 

Spiel ist die beste Form der Verarbeitung.
Malte Mienert, Psychologe

Der Psychologe warnt vor typischen Fehlern: Unbeholfene Phrasen wie «Du musst keine Angst haben» seien kontraproduktiv. Sie setzten Kinder noch zusätzlich unter Stress, denn die Angst sei ja da und dürfe ihnen nicht abgesprochen werden. Überraschend mag die Empfehlung sein, kriegerische Rollenspiele nicht zu unterdrücken: «Spiel ist die beste Form der Verarbeitung.» 

Ab dem Schulalter sollten Eltern Gespräche zu aktuellen Themen zwar nicht aufzwingen, aber immer wieder anbieten. Häufig kämen die Kinder einige Tage später auf das Angebot zurück, sagt die Psychologin Elisabeth Raffauf. 

Gegen die Ohnmacht

In den Diskussionen mit ihren Kindern müssten Eltern unbedingt Position beziehen. «Sie sind eine Art Leuchtturm für das Kind, absolut wichtig für die Orientierung.» Die eigene Position zu erklären, sei dabei entscheidend. Auch legitim sei, einzuräumen, dass es manchmal schwierig ist, eine Antwort zu finden, etwa auf die Frage: «Warum machen Menschen das?»
Im Schulalter hilft Kindern die Einsicht, dass das eigene Handeln etwas bewirken kann. Der Versuch, im Kleinen zu helfen, ist zu begrüssen, zum Beispiel durch einen Flohmarkt zugunsten Geflüchteter oder durch Sachspenden. 


Den Wunsch, selbst zu positiven Veränderungen beizutragen, sollten die Eltern auch später im Teenageralter unterstützen. Etwa, wenn die eigenen Kinder wegen des Klimawandels Flugreisen oder Fleischkonsum ablehnten, sagt Psychologin Tanja Michael. Im Auftrag der Universität Saarland hat sie in einer Studie die psychische Gesundheit von 13- bis 15-Jährigen untersucht. Die Ergebnisse waren alarmierend. 39 Prozent zeigten klinisch auffällige Depressionssymptome, 54 Prozent Angstsymptome mit Blick auf die Zukunft. Neben individuellen Belastungen wirken sich die globalen Krisen auf die Jugendlichen aus.

Medienkompetenz gefragt

Michael rät insbesondere davon ab, Jugendlichen mit unbedachten Sprüchen wie «Ihr Armen, eure Generation wird es schwer haben» zu konfrontieren. Oder gar noch zu fordern, die nächste Generation müsse Lösungen für die grossen Probleme finden. «Das baut nur noch mehr Angst, Druck und Frust bei den Teenagern auf.» Entscheidend sei vor allem, aktiv zuzuhören. Und auszuhalten, dass sich die Welt der Kinder nicht mit einfachen Rezepten beruhigen und schönreden lässt.

Der Frage, wie Eltern mit Kindern über Kriege und Krisen sprechen können, widmet Bildau die ersten vier Kapitel ihres Buches. Dessen besondere Stärke liegt im Kontext, den die Journalistin zusätzlich schafft. Unter anderem befragt sie Expertinnen und Experten zu Medienkompetenz und Fake News. 

Komplexer als Zeitlimiten

Im Zentrum steht die Frage, wie Eltern ihren Kinder helfen können, in Zeiten der sozialen Medien vertrauenswürdige Informationen zu finden. Das Buch wird damit zu einer wichtigen Ressource, die eindrücklich verdeutlicht: Die Zeit, in der es beim Thema Medienkonsum vor allem um Zeitlimiten geht, sind lange vorbei. Cornelia Krause

Sara Bildau: Mama, kommt der Krieg auch zu uns? Wie wir Kindern Nachrichten  erklären, die wir oft selbst nicht begreifen. Gräfe und Unzer, 2025, 224 Seiten