Bewegt, poetisch und wissenschaftlich

Theologie

Im Kirchenjahr 2024 findet in Zürich die Veranstaltungsreihe «Gott ist keine Spiesserin» statt. Sie macht Bedeutung und Potenzial der feministischen Theologie sichtbar.

Natürlich sei Gott keine Spiesserin, empört sich eine Frau im Publikum. Die St.-Peter-Pfarrerin Cornelia Camichel Bromeis hat soeben erklärt, wie die Themenreihe zur feministischen Theologie zu ihrem provokanten Titel gekommen ist. Er sei eine Abwandlung eines Zitats der Dichterin Else Lasker-Schüler, die schrieb, dass Gott kein Spiesser sei.  

«Sonst wäre ich ja auch eine Spiesserin, weil ich doch ein Ebenbild Gottes bin», ereifert sich die Mittsechzigerin im violetten Kostüm, während sie zu Camichel auf die Bühne stöckelt. Sie sei extra aus dem Schwäbischen angereist und habe sich ein paar Gedanken gemacht. Als Adele Seibold stellt sie sich vor. Im Programm findet sich ihr richtiger Name: Gisela Mathiae. Sie ist Clownin und Theologin.

Geschätzt 80 Frauen und ein paar Männer sind an diesem Montag im vergangenen Dezember in die Kirche St. Peter gekommen, um zu hören, wo die feministische Theologie heute steht. Nach einer bewegten Aufbruchszeit in den 1980er-Jahren, als sich Kirchenfrauen in der Schweiz auf allen Ebenen und mit viel Kampfgeist dafür starkmachten, endlich gehört und gesehen zu werden, ist es in den letzten Jahren recht ruhig geworden um die feministische Theologie.  

Noch immer ein Reizwort

Braucht es sie 2024 überhaupt noch, ist man versucht zu fragen? Zurzeit sind von 66 in der Stadt Zürich tätigen Pfarrpersonen mehr als die Hälfte Frauen, der Kirchenrat wird mit Esther Straub erstmals von einer Frau präsidiert. Die Kirchenfrauen haben einiges erreicht.  

Das Attribut feministisch ist für manche Leute allerdings immer noch ein Reizwort. Auf die Ankündigung der Themenreihe habe es Austrittsdrohungen und wüste Beschimpfungen gegeben, sagt Gastgeberin Camichel Bromeis und ergänzt: «Wir hörten aber auch von vorfreudiger Erwartung und erhielten für unsere Initiative grosse Komplimente.»  

Die Begeisterung genutzt

Entstanden ist die Idee für die Themenreihe vor einem Jahr. Im Kirchgemeindehaus Enge hatte Pfarrerin Jacqueline Sonego Mettner fünf feministische Theologinnen zum öffentlichen Gespräch über Gott eingeladen. «Der Austausch ging sehr in die Tiefe und war gut besucht», sagt Sonego Mettner im Rückblick. Sie nutzte die Begeisterung, sogleich machte sie sich mit Kolleginnen an die Planung einer Fortsetzung. 

Bis zum Ende des Kirchenjahrs finden nun an zehn Orten zehn verschiedene Anlässe statt, verantwortet von 18 Pfarrerinnen. Musikalisches, Literarisches und Poetisches, Politisches oder Historisches steht auf dem Programm.  

In der Kirche St. Peter ist inzwischen einiges in Bewegung gekommen. Frau Seibold hat mit Humor und Tiefgang über eigene und vergangene Gottesbilder beziehungsweise die Göttinnenphasen philosophiert, die ihr mittlerweile alle zu eng seien. «Heute nenne ich Gott einfach G*tt, weil im Sternenraum so viel Freiraum ist», freut sie sich, und alle lachen, denn G*tt ohne o tönt ausgesprochen lustig. 

Mit dem Körper beten

Stoff zum Nachdenken über die Veranstaltung hinaus gibt das Podiumsgespräch über die persönliche und gesellschaftliche Relevanz der feministischen Theologie. Ebenso die sieben Thesen, die Jacqueline Sonego Mettner vorstellt. Feministische Theologie sei eine erfahrungsbezogene, aber auch gesellschaftspolitisch engagierte und kritische Theologie. Sie arbeite sowohl poetisch als auch wissenschaftlich, sei «suchend und hoffend». 

Zum Schluss macht Frau Seibold mit den Anwesenden eine Ganzkörper-Gebetsübung. Alle stehen auf, atmen tief die g*ttliche Geistkraft «Rûah» ein. Arme breiten sich aus, Füsse stampfen, es wird geseufzt, gehüpft und gelacht – ein bewegendes Gebet.

Sieben Thesen und Programm

Die sieben Thesen zur feministischen Theologie von Jacqueline Sonego Mettner finden Sie hier

Bis im November 2024 finden an zehn Orten in Zürich noch zehn verschiedene Veranstaltungen statt. Infos zu den Anlässen finden Sie hier.