Ungestüm zieht Chnöpfli an der Milchflasche. Bereits nach wenigen Sekunden lässt es den Sauger los, trabt davon. Simone Maurer lacht, schaut dem knuffligen Lamm hinterher. «Chnöpfli, komm», ruft sie und hält ihm den Schoppen hin. Schon ist es zurück und trinkt mit wedelndem Stummelschwänzchen weiter.
Es ist ein kühler, aber trockener Montagmorgen Ende September. Auf dem Lebenshof Sinulay in Wetzikon machen Simone Maurer und Chris, ein freiwilliger Mitarbeiter, die morgendliche Runde durch die Stallungen. Der 40-Jährige wischt im Hühnerhof mit einem Besen die Hinterlassenschaften der 40 Hennen und zwei Güggel von deren gedecktem Schlafplatz. Die Hühner teilen sich das grosse Gehege unter den Bäumen mit sieben Kaninchen und den Schweinen Emma und Lotti, die gerade geräuschvoll ihr Frühstück aus blauen Becken fressen.
Den Kindheitstraum leben
«Wenn sie genug Rückzugsmöglichkeiten und Futter haben, kommen die Tiere gut miteinander klar», sagt Simone. Auch die Pferde und Ponys, Geissen, Schafe und Alpakas teilen sich einen Laufstall mit Umschwung. Und Chnöpfli ist am liebsten da, wo Simone Maurer ist, nicht nur, wenn es zu essen oder zu trinken gibt.
Das Lamm ist erst einen Monat alt und das jüngste Mitglied der grossen Tierfamilie, mit der die 34-Jährige und ihre fünfjährige Tochter zusammenleben. Wie alle anderen Tiere hat Chnöpfli eine Geschichte, die abrupt zu Ende gegangen wäre, hätte es hier nicht ein neues Zuhause gefunden. Seine Mutter starb, als es elf Tage alt war. Dem Besitzer war es nicht möglich, das junge Tier mit der Flasche aufziehen.
«Ich lebe den Traum, den ich als Kind geträumt habe», sagt Simone in der Kaffeepause, die sie oft bei den Tieren verbringt. Schon als kleines Kind wollte sie wissen, von welchem Tier das Fleisch war, das die Mutter gekocht hatte – und ass es nicht. «Ich sah nicht Fleisch, sondern das tote Tier auf dem Teller.»