Jeremia 18, 1-2
Im letzten Herbst war ich mit meinen Kindern im Berner Oberland. Im Dorf Saanen sind wir zufällig an einem kleinen Laden vorbeigekommen, der bunte Töpferware mit heimatlichen Motiven verkaufte. Gerade sass die Handwerkerin an der sich drehenden Töpferscheibe. Fasziniert sind die Kinder stehen geblieben. Sie durften ihr dabei zuschauen, wie der nasse Klumpen in ihren geschickten Händen bauchige Gestalt annahm, langsam in die Höhe wuchs und schliesslich als Krug zu erkennen war. Ob alles Geschirr, das wir zu Hause haben, so gemacht werde, wollte die eine Tochter wissen. Die Töpferin hatte eine gute Antwort bereit: «Wenn keine Schale genau gleich aussieht wie die andere, ist sie wie mein Krug von Hand gemacht. Wenn du aber keinen Unterschied finden kannst, ist sie maschinell hergestellt.» In der Bibel wird Gott mehrfach als Töpfer bezeichnet. In Jeremia 18, 1-2 weist er den Propheten an, in der Stadt Jerusalem das Haus eines Töpfers zu besuchen, und sagt dann zu ihm: «Seht, wie der Ton in der Hand des Töpfers, so seid ihr in meiner Hand, Haus Israel.» Das gleiche Bild taucht bei Jesaja auf. «Wir sind der Ton und du unser Bildner, und wir alle sind das Werk deiner Hand.» (64,7). Mir gefällt die Metapher. Nicht, weil man daraus Formbarkeit, Gehorsam oder Unterwerfung an die göttlichen Gebote ableiten kann. Sondern weil in ihr die Einzigartigkeit der Schöpfung zum Ausdruck kommt: Kein Mensch ist gleich wie der andere. Ich sehe Gott, wie er an seiner Drehscheibe sitzt und geduldig das Einzelne formt, bis es sich, seinem Plan folgend, in das grosse Ganze einfügen lässt. Letztlich liegt darin doch die Schönheit des Menschen – im Unverkennbaren, Exklusiven.
