Muskelsport statt Bibelwort

Kirchenumnutzung

Ein italienischer Fotograf reist seit zehn Jahren durch Italien und fotografiert Kirchen, die nicht mehr als Kirchen genutzt werden.

Eine Fotografie zeigt ein mit Fitnessgeräten bepackter Raum. Nichts Aussergewöhnliches, mag der Betrachter im Zeitgeist des Körperkultes denken. Neben Gewichtmaschinen, Hanteln und Poster mit stählernen Körpern an den Wänden, fallen möglicherweise die weissen Stuckaturen und der längliche Raum auf. Würde die Aufnahme nicht in einer Fotoausstellung von umgenutzten Kirchenräume gezeigt, käme man selbst vielleicht nicht auf die Idee, dass sich das Fitnesscenter in einer ehemaligen katholischen Kirche befindet.

Nachtclub, Moschee und Werkstatt. Die Ausstellung «The Mass is Ended» zeigt Bilder des Mailänder Fotografen Andrea di Martino. Während den letzten zehn Jahren hat er die Umnutzung von Kirchen in ganz Italien dokumentiert. Daraus ist eine zum Nachdenken anregende Sammlung entstanden – besonders im Hinblick auf die hierzulande geführten Diskussionen um schwach genutzte Kirchen.

Zu sehen sind in der Ausstellung fünfzig Aufnahmen, die stets die gleiche Perspektive aufweisen: Der Fotograf di Martino hat sein Objektiv immer in den Kirchenchor gerichtet. Je nachdem, wie die ehemalige Kirche heute genutzt wird, stehen unterschiedliche Gegenstände im Mittelpunkt des Bildes. In einer als Nachtclub umfunktionierten Kirche in Mailand ist es ein Spiegel hinter der Bar.

In einer Kirche in Napoli, die heute als Moschee dient, erblickt der Betrachter statt den Kirchenchor eine eingebaute Qibla-Wand, die die Gebetsrichtung nach Mekka angibt. Oder auf der Aufnahme einer Autowerkstatt hängt über einer Leuchtreklame von Bosch ein hölzernes Kreuz.

Diskussion um Kirchenumnutzung anregen. «Der Besitzer der Werkstatt bekreuzigt sich jeden Morgen bevor er mit der Arbeit beginnt und zollt so dem ehemaligen sakralen Raum seinen Respekt», erklärt Dorothea Walther die Aufnahme der als Autowerkstatt genutzten Kirche. Die Bernerin sah die Ausstellung mit den Bildern von di Martino zum ersten Mal in Basel und war begeistert. Sofort war für sie klar: Diese Ausstellung muss auch in Bern gezeigt werden. «Die Bilder brechen Tabus in den Diskussionen rund um die zukünftige Nutzung von wenig frequentierten Kirchen», findet Dorothea Walther.

Fotoausstellung

Klaus Littmann, Littmann Kulturprojekte Basel, hat die Ausstellung «The Mass is Ended» erstmals zu Beginn dieses Jahres in der Don Bosco Kirche Basel kuratiert. Jetzt ist die Ausstellung mit den Fotografien von Andrea Di Martino in der Grossen Halle in Bern zu sehen.

Fotoausstellung «The Mass is Ended», Grosse Halle, Reitschule Bern. 06. – 23. Oktober 2016.

Öffnungszeiten: Montag – Freitag: 16.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag: 14.00 – 18.00 Uhr.

Eintritt frei. Führungen auf Anfrage: 031 3010916 oder info@liederweib.ch