Harte Fronten bei der Abstimmung zur Johanneskirche

Thun

Vor Schulden und Gefährdung der Gesamtkirchgemeinde warnt der Kleine Kirchenrat – dem das Initiativkomitee unsaubere und ungenügende Informationen vorwirft.

Korrigendum

In der «reformiert.»-Ausgabe 4/2018 Bern-Jura-Solothurn heisst es, die Abstimmungsbotschaft zur Initiative Pro Johanneskirche in der Gesamtkirchgemeinde Thun enthalte keine Argumente der Initianten. Diese Information war Folge eines Irrtums. Die Redaktion ging davon aus, dass die zwei Monate vor der Abstimmung publizierten «Erläuterungen» des Kleinen Kirchenrates die offizielle Abstimmungbotschaft seien. In den einen Monat später versandten richtigen Abstimmungsunterlagen sind aber auch Pro-Argumente enthalten. Die Redaktion entschuldigt sich für das Versehen.

Links zu den betreffenden Dokumenten finden Sie am Ende dieses Beitrags.

Die Warnungen sind dringlich bis drastisch: Der Kleine Kirchenrat der Thuner Gesamtkirchgemeinde (GKG) sieht bis 2020 über fünf Millionen Franken Schulden kommen und gleich die ganze Gesamtkirchgemeinde gefährdet, wenn die Initiative «Pro Johanneskirche» angenommen wird. Es brauche eine Überführung des Kirchenzentrums ins Finanzvermögen, damit Abklärungen für konstruktive Lösungen für alle fünf Kirchgemeinden überhaupt möglich seien.

Der Verein Pro Kirchen Strättligen, der die Initiative lancierte, warnt hingegen davor, dass der Frieden innerhalb der reformierten Kirche Thuns auf dem Spiel stünde, wenn die Initiative abgelehnt würde. Eine ausreichende Sanierung, damit die Kirche weiter genutzt werden könnte, sei deutlich günstiger möglich. Und es sei strategisch ungeschickt, die demnächst im Inventar der kantonal geschützten Baudenkmäler aufgenommene Kirche veräussern zu wollen, bevor die Reorganisation der Gesamtkirchgemeinde abgeschlossen sei.

Hintergründe zur Abstimmung

Am 29. April stimmen die Thuner Reformierten über die Initia­tive «Pro Johanneskirche» ab. Diese will den Beschluss des Kirchenparlamentes vom September 2016 aufheben – das also einen gleichen Entscheid auch später wieder fällen könnte. Das Parlament hatte auf Antrag des Kleinen Kirchenrates entschieden, die Johanneskirche – die grösste der Kirchgemeinde Strättligen – zu entwidmen. Erst das würde unter anderem auch einen Verkauf möglich machen. Mit diesem Antrag stellte sich der KKR der Gesamtkirchgemeinde gegen einen Beschluss der betroffenen Kirchgemeinde Strättligen selbst.

Denn noch im Juni 2016 hatte die Kirchgemeindeversammlung den Kirchgemeinderat Strättligen beauftragt, den Verzicht auf eine von ihren vier in Frage kommenden Kirchen mit der Gesamtkirchgemeinde zusammen vorzubereiten. Dabei sollten Finanzierung und künftige Nutzung einbezogen werden. Der Kirchgemeinderat Strättligen seinerseits hatte der Versammlung beantragt, den Verzicht auf das Kirchenzentrum Gwatt – und nicht Johannes – zu erklären. Dies wiederum hatte eine Beratungsfirma aufgrund einer Untersuchung im Frühling 2016 empfohlen – im Auftrag der Kirchgemeinde und mit Einbezug der Kirchenmitglieder.

Pro und Contra Initiative

Bei der aktuellen Abstimmung empfehlen die Mehrheit von Grossem und Kleinem Kirchenrat der Gesamtkirchgemeinde Thun die Ablehnung der Initiative. Die betroffene Kirchgemeinde Strättligen bezieht selbst keine Stellung. Der Verein «pro Kirchen Strättligen» nennt die Argumente für die Initiative – eine Zusammenstellung:

Kosten

Contra: «Mehrere unabhängige Studien» zeigten, dass mindestens 5 Millionen Franken für eine Sanierung zur Werterhaltung der Johanneskirche notwendig wären, allein für die tragende Konstruktion brauche es über 2.7 Mio Franken. Es geht dabei um eine Schätzung des Büros Höhn + Partner (Juni 2014) und einen Kostenvoranschlag von ca. 5.5 Mio Franken von Zellweger Architekten (Dezember 2017). Angeführt wird vom KKR auch, Strättligen habe von den fünf Thuner Kirchgemeinden seit 1980 am meisten Bau- und Sanierungskosten verursacht.

Pro: Eine Gruppe von sechs «unabhängigen» Architekten hielt für die Initianten fest: Es seien «keine gravierenden Baumängel» vorhanden, die Bausubstanz sei intakt. Eine Totalsanierung für 5.5 Mio Franken sei «überrissen und unnötig». Das Büro Höhn + Partner schätzte die Unterhaltskosten über eine Dauer von zehn Jahren auf knapp 3.1 Mio Franken. Zudem stehen in Strättligen fünf Kirchen, die Hälfte aller Kirchen in der gesamten GKG Thun. In Thun-Stadt sind es zwei, in den restlichen Kirchgemeinden je eine Kirche. Bezogen auf die Anzahl Kirchenmitglieder sind die Bau- und Sanierungskosten pro Kopf im Schnitt bisher ungefähr gleichmässig verteilt.

Verschuldung

Contra: Die Zahl der Kirchenmitglieder nehme stetig ab. Durch die notwendige Sanierung würde eine «massive Verschuldung drohen» (bis in vier Jahren mindestens 5 Mio. Franken), die «das Wohl aller fünf Kirchgemeinden» gefährden bzw. «die finanzielle Sicherheit der Gesamtkirchgemeinde Thun in Frage stellen» würde. Schon ohne Sanierung des Kirchenzentrums Johannes werde die Gesamtkirchgemeinde «bereits im Jahr 2020 über keine flüssigen Mittel mehr verfügen».

Pro: Die Steuereinnahmen der GKG Thun stiegen «seit Jahren», eine Trendwende sei nicht in Sicht. Auch das Eigenkapital - fast 15 Mio. Franken (die viel grössere Gesamtkirchgemeinde Bern verfügte Ende 2016 über 16.7 Mio Franken) - nehme «dank den regelmässigen, hohen Überschüssen» kontinuierlich zu. Und es sei unüblich, Sanierungen nur aus flüssigen Mit­teln zu finanzieren, wie das die Informationen des Kleinen Kirchenrates suggerierten.

Raumnutzung

Contra: Für die Anlässe stehe mit den vier anderen Kirchen in Strättligen genügend Raum zur Verfügung, da ein Überangebot an Gebäuden und Räumen bestehe. Das hätten die Abklärungen einer Arbeitsgruppe u.a. mit Mitgliedern der Kirchgemeinde Strättligen ergeben. Und eine Studie habe gezeigt, dass die Johanneskirche von den fünf Strättliger Kirchen bezüglich Bedarf und Nutzung erst an dritter Stelle stehe.

Pro: Der Abschlussbericht «Analyse Raumangebot» zeigt, dass nicht für alle aktuellen Anlässe des Kirchenzentrums Johannes Alternativstandort gefunden wurden. Es gebe in Strättligen kein Überangebot an Kirchen, argumentiert das Initiativkomitee. Allmendingen und Gwatt seien Dorfkirchen, die Kirche Scherzligen verfüge nur über eine minimale lnfrastruktur. Den Mitgliedern aus dem «Ballungszentrum von Strättligen» stünden die Kirchen Johannes und Markus zur Verfügung – und die Markuskirche würde die Bedürfnisse dieser 8'000 Mitglieder alleine nicht abdecken können und biete auch keinen Platz für die grössten Anlässe.

Weitere Informationen finden Sie in den folgenden Dokumenten (PDF):