Der Satz hat es in sich: «Wir orientieren uns grundsätzlich am System der Marktmiete.» Er steht im Leitbild Immobilien der reformierten Kirche der Stadt Zürich. In einer Stadt, in der die Genossenschaften als Bollwerk gegen die Spekulation gelten und der Markt die Mieten in die Höhe treibt, besitzt der Satz politische Sprengkraft. Das zeigte die gut besuchte Podiumsdiskussion vom 6. Dezember, die von SRF-Redaktorin Christine Stark moderiert und durch engagierte, kompetente Voten des Publikums bereichert wurde – von Vertreterinnen des Mieterverbands, Baufachleuten und Repräsentanten der Stadtzürcher Kirchenpolitik.
Petition lanciert. Die Kontroverse musste freilich zuerst provoziert werden. Im März 2016 hatten die 52 Delegierten der Zentralkirchenpflege (ZKP) die Immobilienstrategie noch mit nur einer Gegenstimme durchgewinkt. Erst ein Zeitungsartikel über ein Jahr später weckte die Mieterlobby.
Der Förderverein der Citykirche St. Jakob hat nun eine Petition lanciert, die auf die in Genossenschaften bewährte Kostenmiete setzt. «Die Kirche muss auch auf dem Wohnungsmarkt gemeinnützig auftreten», sagte Hannes Lindenmeyer, der als Präsident der Kirchenpflege St. Jakob in der ZKP sitzt. Er verlangt eine öffentliche Diskussion zur Immobilienstrategie.
Geldquelle für Diakonie. Die Forderung richtet sich an Andreas Hurter. Er ist Vorstandspräsident des Stadtverbands der Zürcher Kirchgemeinden, die schon bald fusionieren. «Eine Marktmiete ist kein Abzockerpreis», betonte er. Vielmehr gehe es darum, zwischen Immobilien, die für das kirchliche Leben benötigt werden, sowie Anlageobjekten zu unterscheiden. «Um unsere kirchlichen Aufgaben wahrnehmen zu können, sind wir auf Erträge angewiesen.» Laut Leitbild sollen die zentral verwalteten Immobilien zu «einem bedeutenden Bestandteil des Finanzhaushalts» werden. Bis dahin ist es ein weiter Weg. Zurzeit sind die 200 Immobilien, zu denen 47 Kirchen gehören, mit einem jährlichen Minus von 10 Millionen Franken ein Verlustgeschäft.
Eine Erfolgsgeschichte konnte Marlies Müller erzählen. Mit ihrer Kirchenpflege Wiedikon musste sie das schlecht genutzte Kirchgemeindehaus sanieren. Statt den Stadtverband um Geld zu bitten, das er nicht hatte, holte sie den Kanton als Mieter an Bord. Das Hochschulamt war auf der Suche nach mehr Raum für das nahe Gymnasium. Nun teilen sich Schule und Kirche das Haus. «Wir werden Fehler machen und daraus lernen, aber hängen Sie uns jetzt nicht an diesem Leitbild auf», appellierte Müller.
Gefährlicher Profit. Für Exmperimentierfreude warb auch Iris Vollenweider vom Immobilienunternehmen Fischer. Zwar hatte sie die Marktmiete harsch kritisiert und vor einem Reputationsrisiko für die Kirche gewarnt: «Wer vom Markt profitiert, agiert gleichzeitig und treibt die Mieten in die Höhe.» Stattdessen müsse die Kirche aus den Erfahrungen der Genossenschaften lernen. Einen Trost hob sie sich jedoch für den Schluss auf: «Leitbilder sind dazu da, überarbeitet zu werden.»
