Recherche 22. November 2022, von Usama Al Shahmani, Ignazio Cassis, Rita Famos, Melanie Oesch, Nazar Zatorskyy

Advent ist, im Dunkeln ein Licht anzuzünden

Hoffnung

Persönlichkeiten aus Kirche, Politik, Musik und Literatur erzählen, was sie trotz aller Krisen an das Gute glauben lässt. Entstanden ist so ein adventliches Mosaik der Hoffnung.

Melanie Oesch: «Ich vertraue, dass es schon gut kommt»

Meine Hoffnung lebt auch in schwie­rigen Zeiten wie diesen von einem guten Urvertrauen im Sinne von «Es chunnt scho guet». Ich war schon immer eine optimistische Person und versuche das in meinem Alltag zu manifestieren. Indem ich zum Beispiel kleine Aufmerksamkeiten wert­schät­ze, mich an kleinen Dingen erfreue. Wie sagt man so schön: Die Energie folgt dem Fokus.

Melanie Oesch, 34,

ist Sängerin der Volksmusikgruppe Oesch’s die Dritten.

Meine zwei Jungs zählen natürlich auch zu den täglichen Aufstellern. Gerade für die beiden probiere ich mit einer positiven Einstellung durch das Leben zu gehen, ihnen dieses Urvertrauen weiterzugeben.

Ich liebe die Adventszeit. Früher waren die Dezembertage oft mit vie­len Konzerten gefüllt. Seit ich Mami bin, lassen wir im letzten Monat des Jahres ganz bewusst mehr Freiraum. So bleibt auch Zeit für die Familie sowie für Freundinnen und Freunde. Ein Höhepunkt wird für mich persönlich der erste Geburtstag unseres kleinen Eric sein. Ich freue mich auf eine vielseitige Adventszeit.

Ignazio Cassis: «In der Not kann Gutes entstehen»

Mir gibt der Mensch als solcher Hoffnung. Wir erleben gerade eine Zeit, in der wir mit viel Not und Widrigkeiten konfrontiert sind. Vie­le Probleme werden vom Menschen verursacht. Aber in seinem Drang nach Leben, in seinem Streben nach Besserem und Neuem ist er trotzdem die Hoffnung selbst. Gerade in schwierigen Zeiten zeigt er sich immer wieder anpassungsfähig, wil­lensstark und kreativ.

​Ignazio Cassis, 61,

ist Aussenminister und in diesem Jahr Präsident des Bundesrates.

Aus der Not heraus kann Gutes geboren werden: Vorher Undenkbares wird möglich, scheinbar unüberwindbare Hürden können beseitigt werden und Unvorstellbares kann passieren. Dies symbolisiert ja auch die Weihnachtsgeschichte.

«Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zum Nachdenken. Ausser wenn Krise herrscht: Dann nimm dir eine Stunde.» Dieser Satz ist mir wichtig, und ich versuche ihn konsequent umzusetzen, ganz besonders in der Adventszeit, der Vorbereitungszeit auf das Fest der Geburt Christi. Die vielfältige religiöse Bedeutung hat einen gemeinsamen Nenner: Der Mensch zieht sich zurück, besinnt sich auf das Wesentliche, und das voller Hoffnung. So ist der Advent für mich eine Zeit, innerlich zur Ruhe zu kommen und zu neuer Stär­ke zu finden für das, was kommt.

 

Rita Famos: «Gott wird die Tränen abwischen»

In meinem Herzen haben sich über die Jahre zahlreiche Hoffnungsbilder, -geschichten und -lieder eingenistet. Sie zeigen, erzählen und singen davon, wie Gott auch in den schwierigsten Situationen einen Weg mit uns Menschen findet. Ich teile sie mit Menschen durch Jahrtausen­de und rund um die Welt, die wie ich durch sie im Glauben gestärkt werden für ihr Leben.

Im Hinblick auf den kälteren und dunk­leren Winter ist mir die uralte Zusage aus dem Jesaja-Buch ein Hoffnungszeichen: «Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein grosses Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.» Tausende Freiwillige tragen in diesen Tagen dieses Licht in die von Sorgen und Zukunftsängsten geplagte Welt hinaus. Hier bei uns und in der ganzen Welt.

Pfarrerin Rita Famos, 56,

ist Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS).

In der Ukraine organisieren sich gerade junge Menschen, um alten Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu helfen, ihre Häuser wiederaufzubauen. Im Iran wird der Mut so vieler Menschen nicht aufzuhalten sein. All das lässt mich hoffen: Gott macht den Kriegen dieser Welt ein Ende. Er wird die Tränen aus jedem Angesicht abwischen.
Der Gott, der gesagt hat: «Es werde Licht», lässt sein Licht unter uns leuchten.

 

​Nazar Zatorskyy: «Das Gebet gibt uns allen Kraft»

Hoffnung gibt uns die weltweite Solidarität mit der Ukraine. Und da ist Gott als grosse Hoffnung. Er gibt uns die Stärke durchzuhalten, den Glauben nicht zu verlieren und auf Frieden zu hoffen.

Aber ohne Gerechtigkeit kann es keinen Frieden auf Dauer geben. Darum hoffe ich auch, dass die Verantwortlichen für das grosse Leid dereinst vor dem Internationalen Strafgerichtshof stehen.

​Nazar Zatorskyy, 43,

ist griechisch-katholischer Priester für Ukrainer in der Schweiz.

Griechisch-katholische Gemeinden von Ukrainerinnen und Ukrainern gab es in der Schweiz schon vor dem Krieg. Nun sind es viel mehr geworden, weil die Geflüchteten über die Kantone verteilt sind und auch Orthodoxe und Kirchenferne bei uns ein geistliches Zuhause finden. In der Fastenzeit im Advent beten wir für die Kriegsgefangenen, die Menschen in den besetzten Gebieten, für alle Leidenden  und zunehmend auch für die Gefallenen. Das Gebet mit der Gemeinde gibt uns allen Kraft.

 

Usama Al Shahmani: «Veränderung beginnt mit dem Herzen»

Was macht uns Hoffnung in dieser schwierigen Zeit? Die Antwort auf diese Frage liegt bei uns selbst. Veränderung beginnt bei dir, nicht bei den Umständen.

Schön zeigt dies eine arabische Fabel. Sie erzählt von einer Maus, die aus Angst vor der Katze nicht mehr ein und aus wusste. 

Usama Al Shamani, 51,

ist irakisch-schweizerischer Schriftsteller und Übersetzer.

Ein Zauberer sah die Maus und hatte Mitleid mit ihr. Er verwandelte sie in eine Katze, aber die Katze bekam Angst vor dem Hund, also verwandelte der Zauberer die Katze in einen Hund. Der Hund fing an, den Tiger zu fürchten. Der Zauberer überlegte und verwandelte ihn in einen Tiger. Der Tiger wurde von Angst vor dem Jäger erfüllt.

An diesem Punkt gab der Zauberer auf, verwandelte den Tiger in eine Maus zurück und sagte: «Nichts, was ich tue, wird dir helfen, weil du das Herz einer Maus hast.»Wenn du dich ändern willst, musst du zuerst mit deinem Herzen beginnen.