Wie haben Sies mit der Religion, Frau Eichenberger?
Religion ist für mich ein Teil unseres kulturellen und gesellschaftlichen Miteinanders. Das hat für mich nichts mit Konfession, sondern eher mit einer wertebasierten Achtsamkeit füreinander zu tun.
Hat Musik für Sie eine spirituelle oder göttliche Komponente?
Ich erinnere mich an ein Erlebnis in der Kirche Amsoldingen mit Händels «Messias». Eine Kirche ist für mich ein Zentrum spiritueller Kraft. Die frühromanische Steinkirche war bis auf den letzten Platz voll. Menschen lauschten miteinander der Musik. Ich schaute in diese Gesichter und stellte mir vor, wie viel Lebenszeit schon verbracht, wie viel Lebensfreude und Lebensleid in dieser Kirche schon geteilt wurden. Ich erinnere mich, dass mich eine Demut überkam. Ich fühlte: Ich bin ein Teil davon, und auch ich selbst trage einen Teil davon.
Wie spüren Sie Emotionen aus dem Publikum, wenn Sie singen?
Es ist etwas sehr Besonderes, wenn Menschen von einem Konzert in ihrem Innersten berührt sind und es mir auch mitteilen. Das ist zu einem grossen Teil sicherlich dem Innehalten im Alltag zu verdanken und dem Raum zur Reflexion, der durch ein Konzert eröffnet wird. Die Atmosphäre des Orts spielt auch eine wichtige Rolle. Die Kompositionen, die Texte tragen einen weiteren Teil dazu bei. Und ich zeige meine Seele und teile meine Lebenskraft. Das alles wirkt zusammen.
Gibt es ein weihnächtliches Werk, das Sie besonders berührt?
Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich im Advent an einer Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach beteiligt sein darf. Ich bin jeweils festlich bewegt, bereits wenn der Chor die erste Nummer anstimmt, das «Jauchzet, frohlocket!», und die Trompeten stolz und freudig darüber brillieren. Das ist so vorfreudig und positiv. Dann lacht etwas in mir.
