Sprengkandidatur gegen Straub lanciert

Kirchenratswahl

Um die Zürcher Kirchenratswahlen vom 15. September ist ein politisches Ränkespiel im Gang. Zur Zeit stehen acht Personen für sieben Sitze zur Wahl.

Um die bevorstehende Kirchenratswahl ist ein politisches Ränkespiel im Gang. Eine Gruppe von Synodalen um Willi Honegger, Präsident der Evangelisch-Kirchlichen Fraktion, portiert überraschend eine neue Kandidatin, Marlies Petrig. Die Angaben dazu, wie breit der Coup abgestützt ist, sind widersprüchlich. Wilma Willi, Präsidentin des Synodalvereins, sagt, sie portiere Petrig gemeinsam mit Honegger. Thomas Maurer, Präsident der Liberalen Fraktion, will nicht so weit gehen und betont, er unterstütze lediglich die neue Wahlmöglichkeit.

Entscheiden müssen so oder so die Synodalen, von denen die meisten von der neuen Kandidatur aber noch gar nichts wissen. Die Hearings in den Fraktionen finden nämlich erst nach den Sommerferien statt.

Somit werden am 15. September drei neue Kandidatinnen um zwei freie Sitze im Kirchenrat und fünf Bisherige um ihre Wiederwahl kämpfen. Die Religiös-Sozia­len und die Liberalen hatten bereits im Frühling Esther Straub und Katharina Kull ins Rennen geschickt. Petrig wird nun explizit gegen Straub aufgestellt.

Motion gescheitert. Denn wird die Pfarrerin aus Schwamendingen gewählt, bekommt die Pfarrschaft im Kirchenrat eine Mehrheit. In einer Motion wollte Honegger ein Verbot der Pfarrermehrheit in der Kirchenordnung verankern. Doch die Synode lehnte den Vorstoss ab. Die Religiös-Sozialen blieben trotz der Drohkulisse bei ihrem Einervorschlag.

Das Pikante an der neuen Kandidatur: Marlies Petrig ist für die religiös-soziale Fraktion keine Unbekannte. Sie war dort bereits für die Nachfolge von Irene Gysel im Gespräch. Straub entschied die Vorwahlen jedoch klar für sich und hat in den eigenen Reihen grossen Rückhalt.

Sie könne durchaus verstehen, wenn sie in der religiös-sozialen Fraktion nun «als Nestbeschmutzerin» gelte, sagt Petrig. Trotzdem würde sie nach einer Wahl am liebsten für diese Fraktion Kirchenpolitik machen. «Mich aufzunehmen, wäre für die Religiös-Sozialen sicher eine Herausforderung.» Aber dort sei sie zu Hause. Honeggers evangelisch-kirchliche Fraktion sei keine Alternative: «Da wäre es mir zu wenig divers.»

Honegger betont denn auch, dass er den Sitzanspruch der religiös-sozia­len Fraktion nicht infrage stelle. «In einer anderen Konstellation wäre Esther Straub durchaus wählbar. Doch im gegenwärtigen Reformprozess wird den Kirchgemeinden sehr viel abverlangt», sagt Honegger, der in Bauma Pfarrer ist. «Es wäre kontraproduktiv, wenn der Verdacht genährt würde, der Kirchenrat schone die Pfarrschaft.»

Führung und Freiwillige. Petrig bringe als Geschäftsleitungsmitglied des Kompetenzzentrums Pflege und Gesundheit in Bassersdorf Führungserfahrung mit und sei als Co-Präsidentin des Stiftungsrates der Sozialwerke Pfarrer Sieber bestens vernetzt. Zudem war sie zehn Jahre in der Leitung des Cevi-Nationalverbandes tätig. Petrig sagt, sie sei in den letzten Wochen von mehreren Leuten kontaktiert worden. «Mir ist wichtig, dass meine Kandidatur breit abgestützt ist.» Auch sie hält eine Pfarrermehrheit in der Exekutive für «unglücklich». Deshalb sei es richtig, wenn die Synode nun die Wahl habe zwischen zwei Personen «mit sehr unterschiedlichen Profilen».

Matthias Reuter, Fraktionspräsident der Religiös-Sozialen, ist da freilich dezidiert anderer Meinung. Er hat erst durch die Recherchen von «reformiert.» von Petrigs Kandidatur erfahren. «Das Vorgehen empfinde ich als Affront gegenüber den Religiös-Sozialen», sagt er empört. Es sei für ihn unverständlich, warum er nicht auf direktem Weg informiert werde. Zumal es sich um eine wilde Kandidatur handle, die offensichtlich auf Straub ziele. Würde er Petrig im Falle einer Wahl in die Fraktion aufnehmen, wie diese es sich vorstellt? «Das ist für mich persönlich ein absolutes No-Go», stellt Reuter klar.

Unliebsames Profil. Der Pfarrer aus Zürich-Höngg gibt sich kämpferisch. «Wir setzen uns für unsere zwei Sitze und die offiziell nominierten Kandidaten ein, den bisherigen Kirchenrat Bernhard Egg und die neue Kandidatin Esther Straub.» Letztere sei als Theologin mit Doktortitel, SP-Kantonsrätin und berufstätige Mutter «eine Topkandidatin» für das Amt und sehr sorgfältig ausgewählt worden. Seine Fraktion portiere ganz bewusst eine Theologin, die die Religiös-Sozialen im Zürcher Kirchenrat vertritt. Denn bis heute sei erst ein einziges Mal überhaupt eine Theologin Mitglied des Gremiums gewesen.

Straub selbst gibt sich gelassen, obwohl auch sie über die Art der Lancierung von Petrigs Kandidatur «sehr befremdet» ist. «Es ist immer gut, wenn die Synode auswählen kann», betont sie. Das Argument der drohenden Pfarrermehrheit hält sie allerdings für vorgeschoben. Sie vermutet, dass manche Kreise explizit keine Theologin im Kirchenrat haben möchten, schon gar keine feministisch profilierte wie sie. «Dabei wäre es doch wünschenswert, dass Frauen im höchsten Leitungsgremium der Zürcher Landeskirche theologisch mitdenken.»