«Hier auf meinem Friedhof, bei den Toten, habe ich meine Ruhe.» Der Fischer Chamseddine Marzoug legt sich auf ein Grab mit Rosen und Nelken aus Plastik und mit einer Inschrift, der einzigen auf dieser gottverlassenen Halde im Süden Tunesiens: Rose-Marie, Nigeria, gest. 25. 5. 2017. Mit 28 sei Rose-Maria ertrunken, das Leben noch vor sich, ein Jammer, sagt Marzoug. Den Namen der Frau kennt er, weil ihr Mann das Bootsunglück überlebt hat.
Der Menschenfischer
Vor zwanzig Jahren war es, als sich Leichenteile in seinen Netzen verfingen, mal ein Arm, dann ein Stück Bein oder ein Kopf, auch Kleider und Puppen waren dabei, Habseligkeiten von Migranten, die auf maroden Schiffen von Tunesien nach Europa fliehen wollten, die kenterten, ertranken und vom Meer an die Küste zurückgeschwemmt wurden.
Als das Meer, das Marzoug einst so liebte und heute verflucht, immer mehr zum Friedhof wurde, begann er, die Toten in Säcke zu packen, er hievte sie auf einen Pickup, fuhr in die Wüste hinaus, schaufelte Mulden zwei Meter in die Tiefe, er legte die Leichen hinein und schmückte die Gräber mit Engeln aus weissem Porzellan. Am Eingang stellte er eine Tafel auf, darauf steht geschrieben: «Friedhof der Unbekannten».