Dem Versöhnungsgottesdienst ging eine Wanderung voraus. Eine Gruppe startete im österreichischen Feldkirch in Richtung Lichtenstein, wo sie auf eine deutsche Gruppe aus Sigmaringen traf. Eine weitere, dritte Gruppe machte sich in Seewis im Prättigau auf auf den Weg. Sie alle folgten den historischen Pfaden von Fidelis. Bei der Anhöhe am Fadärastein oberhalb von Malans trafen alle drei Gruppen zusammen. Von den mehr oder weniger grossen Anstrengungen des Weges konnten sich die Wanderer mit Kuchen und Getränken und mit Blick auf das Churer Rheintal, wieder stärken. Das gemeinsame Wandern liess Zeit und Raum für Gespräche über Gott und die Welt, über Versöhnung und Frieden. Von dort liefen die nun rund 50-60 Personen gemeinsam in Richtung Seewis, wo sie vom Bischof aus Chur in Empfang genommen wurden. Menschen aus dem deutschen Sigmaringen, dem österreichischen Feldkirch und dem schweizereischen Seewis machten sich aus der Heimat auf und trafen sich zum Apero auf dem Aussichtspunkt Fadärastein im Prättigau. Von dort ging es gemeinsam in die Dorfkirche von Seewis zum Versöhnungsgottesdienst.
Versöhnung sei gerade heute, in Kriegszeiten, das Thema schlechthin, sagte Lars Geschwend, Gemeindeleiter der katholischen Pfarrei Vorder-und Mittelprättigau. Neben ihm war Bischof Joseph Maria Bonnemain in der reformierten Kirche zugegen. Ebenso Thomas Müller, Dekan der Bünder Pfarrschaft sowie der leitende Kapuzinermönch aus dem gleichnamigen Kloster in Feldkirch in Österreich. In einer Dialogpredigt legten der Pastor loci, Andreas Anderfuhren und Lars Geschwend das Pauluswort aus dem Epheserbrief: „Ertragt einander in Frieden“ aus. Die Predigenden kamen zu dem Schluss, dass sie aufeinander in ihrer Verschiedenheit angewiesen sind und von den unterschiedlichen Traditionen profitieren könnten.
Warum sind reformierte Kirchen oft geschlossen?
So fragte sich der Katholik Geschwend, warum im Gegensatz zu katholischen Kirchen, die reformierten oft geschlossen seien. Auch das eine Frage der Tradition, steht doch bei den Reformierten die Predigt im Vordergrund, während katholische Christen jederzeit Zutritt zum Kirchenraum haben möchten, um ein Gebet zu sprechen. Dekan Thomas Müller von der reformierten Kirche erinnerte an das Wort aus der Bergpredigt im Matthäusevangelium: „Selig, sind die, die Frieden stiften.“ Dafür brauche es Mut und Demut auf den anderen zuzugehen. Bischof Bonnemain sieht die Gemeinde des Tages als Gruppe von Friedenstifterinnen und –Stiftern. Die Vergangenheit sei nicht mehr zu ändern, aber Gott sei ein Gott der Gegenwart. Und mit Gott an der Seite lasse sich sogar die Vergangenheit verwandeln. Und demütig zu sein, heisse seine eigene Bedeutung zu relativieren. Die Gemeinde war glücklich über den Besuch aus dem Bistum Chur und applaudierte dem Bischof stehend. Versöhnlich umarmten sich der Bündner Dekan und der Bischof von Chur.