«Got die Er sunst niemet mehr» (frei: Gott allein gilt die Ehre). Dieser Satz steht auf der Aussenwand des Hotels und Restaurants Rhätia, in St. Antönien. In weissen Lettern steht er dort und weist auf eine längst vergangene Zeit. «Ein zutiefst reformierter Satz», sagt Hubert Zurkinden. Kein Wunder, zumal das Prättigau als reformiertes Kernland gilt. Umso kurioser, dass es mit Hubert Zurkinden einen studierten Katholiken in das Dorf St. Antönien verschlagen hat.
Der ehemalige Generalsekretär der Grünen und gebürtige Freiburger ist seit acht Jahren Besitzer des Hotels und Restaurants Rhätia. Wie wird nun aber ein Politiker und katholischer Theologe, der im geschäftigen Bern ein und aus ging, mitten in den Bergen Wirt? «Ganz einfach eigentlich», sagt Zurkinden. Innerhalb seiner letzten zehn Berufsjahre wollte er unbedingt noch einmal etwas anderes machen. Und seine Frau Regula Strobel, ebenfalls Theologin, brachte ihn auf die Idee mit der eigenen Beiz.
Schnellkurs in Gastronomie
So ganz aus heiterem Himmel war der Einfall mit der Beiz dann aber doch nicht. Zum einen hatte das Ehepaar Zurkinden/Strobel immer Freude daran, Gäste zu bewirten, zu kochen und zu kommunizieren. Zum anderen kannten sie sich sehr gut in der Region und in St. Antönien aus. «Wir haben mit dem Beizen etwas gefunden, was wir beide gern machen», sagt Hubert Zurkinden. Eine grosse Rolle bei der Entscheidung, einen Hotelbetrieb zu übernehmen, spielte der Rat eines ehemaligen Schulkollegen von Zurkinden. Dieser führt im Wallis eine Beiz, in der das Paar oft zu Gast war. Als die Idee, ein eigenes Hotel mit Restaurant zu führen, konkret wurde, informierte sich das Ehepaar intensiv. Dann hat Hubert Zurkinden erst mal drei Monate probehalber in einem Restaurant gekellnert und einen Crash-Kurs in Sachen Gastro-Ausbildung gemacht – von der Betriebsführung bis zum Kennenlernen der Garmethoden.
Heute teilen sich die Zurkindens die Aufgaben. Wenn Regula morgens das Frühstück macht, steht Hubert abends hinter der Bar. Mit drei festen Angestellten bewirtschaftet das Team das Restaurant und die neunzehn Zimmer. Das über 300 Jahre alte «Rhätia» ist das grösste Haus am Platz. Bereits während ihrer Ferien hatten sich die Zurkindens in das Haus verliebt. Als dann genau das «Rhätia» zum Verkauf stand, war das eine glückliche Fügung. Hochsaison ist der Winter, wenn es die Touristen in Scharen zu Skitouren nach St. Antönien treibt. Weil Regula und Hubert Zurkinden selbst gern auf Tour sind, dienen sie zugleich als Ansprechpartner für ihre Gäste: «Wir wissen, was die Leute suchen, die hierher kommen.»
Verantwortung von A bis Z
Als Kleingewerbler müssen sich die Hotelbesitzer um alles kümmern – vom Bettenmachen bis zum Auswählen der Weine obliegt alles in der Verantwortung des Ehepaars Zurkinden. Und dann ist auch die private Wohnung noch im gleichen Haus wie das Hotel. Zwar lockt St. Antönien Touristen mit dem Satz «Hinter dem Mond links» an, doch bedeutet diese Abgeschiedenheit keinesfalls Ruhe
für die Wirte. Zurkinden jedenfalls spielt jeden Morgen 45 Minuten Orgel, um sich zu zentrieren: «Das ist meine Meditation», sagt er. Danach geht er in den Frühstücksraum und sein Tag als Wirt beginnt. Die Orgel spielt Hubert Zurkinden auch gelegentlich in der reformierten Kirche, gleich hinter dem Hotel gelegen. Dann, wenn die Organistin einmal ausfällt. Im Anschluss an den Gottesdienst schlüpft er dann wieder in die Rolle des Gastgebers und serviert den Kaffee nach der Kirche.
Roter Faden
Gibt es im Leben von Hubert Zurkinden, dem Theologen, Redaktor, Politiker und Wirt etwas wie einen roten Faden, eine Motivation, die diese unterschiedlichen Aufgaben verbindet? Wenn es etwas gibt, dann ist es für Zurkinden der ökumenische Dreiklang Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. «Uns ist es wichtig, nachhaltig zu wirtschaften und dass es den Leuten in unserem Gasthaus wohl ist», sagt Hubert Zurkinden. Das Wirtepaar konnte bestimmt auch deswegen schnell alle Vorurteile, die gemeinhin gegen «Unterländer» aufkommen, entkräften. Die Zusammenarbeit mit den St. Antöniern ist sehr gut. Freunde biegen jetzt einfach «hinter dem Mond links» ab, um sie zu besuchen.