Das Fasnachtstreiben war den Räten zu wild

Brauchtum

Der Name sagt es: Die Fasnacht ist die Nacht vor der österlichen Fastenzeit. Im reformierten Kanton Bern war sie lange verboten. Erst im 19. Jahrhundert lebte sie wieder auf.

Jetzt tuten, dröhnen, tröten und trommeln die Narren wieder durch die Gassen: Es ist Fasnachtszeit. Historisch betrachtet sind die katholischen Kantone in diesem Treiben erprobter als die reformierten, denn die Reformatoren hatten mit der Fasnacht nichts am Barett. Diese Festivität stand in ihren Augen zu sehr für den alten Glauben – und erschien ihnen überdies zu unsittlich. Entsprechend wurde sie im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts in den reformierten Orten der Eidgenossenschaft abgeschafft.

Deftiges gegen den Papst

So auch im Stadtstaat Bern, der 1528 zum neuen Glauben übertrat. Bescheiden und sittsam, fleissig und tugendhaft hatte der neue Christenmensch zu sein; Tanz und Musik wurden aus dem öffentlichen Leben verbannt, und von ausgelassener Fasnachtslustbarkeit konnte natürlich erst recht keine Rede mehr sein. So verfügte es die reformierte Berner Regierung, obwohl sie der Fasnacht eigentlich eine ganze Menge zu verdanken hatte. 1524 und 1525 nämlich, am Vorabend der Reformation, waren in den Gassen Berns Fasnachtsspiele aus der Feder des Literaten und Kunstmalers Niklaus Manuel aufgeführt worden. Diese deftigen antipäpstlichen Schwänke zur Narrenzeit heizten die Stimmung beträchtlich auf und schufen den Nährboden, auf dem der neue, sprich der evangelische Glaube entstehen und erblühen konnte.

Trotzdem war mit Fasnacht in Bern erst einmal für gut drei Jahrhunderte Schluss. Offiziell zumindest. «In den Chorgerichtsmanualen lässt sich bis etwa 1700 so einiges nachlesen über Leute, die sich nicht an die Weisung hielten und deswegen vor dem Sittengericht antreten mussten», sagt der Emmentaler Lokalhistoriker und Familienforscher Hans Minder. Erst ab 1700 setzte sich der Geist reformierter Sittsamkeit so richtig durch, vielleicht auch unter dem Einfluss der erstarkenden pietistischen Bewegung.

Von da an wurde es in bernischen Landen definitiv still um die Fasnacht. Noch immer ist sie dem Berner, der Bernerin im Grunde fremd. Erst in den 1980er-Jahren wurde in der Bundesstadt der alte Brauch neu belebt, gedieh hier rasch zu üppiger Blüte – und bildet bis heute -eine Art Exotikum im Kanton Bern. Mit -einer Ausnahme: Im Oberaargau hat die Fasnacht schon im 19. Jahrhundert ihren Platz zurückerobert.

Von Arbeitern importiert

Auslöser war, dass 1857 der Oberaargauer Hauptort Langenthal Anschluss an die Centralbahn bekam. «Das kurbelte die Industrie im Ort an; Langenthal suchte nach Arbeitern und fand sie im Umland», erklärt Minder. Das Umland aber lag im Kanton Luzern; von hier zogen die katholischen Arbeiter in den reformierten Oberaargau und brachten nebst ihren Familien auch die Liebe zur Fasnacht mit. Das wirkte ansteckend und ist bis heute lebendig geblieben. Erste schriftliche Berichte zur Fasnacht in Langenthal datieren auf 1864.