Wegen der Corona-Pandemie dürfen nur noch 50 Menschen in die Kirche, Reisen sind schwieriger als früher. Wie wichtig ist für Angehörige die Teilnahme an einer Beerdigung für das Abschiednehmen?
Anne-Marie Müller: Die Beerdigung ist ein geradezu notwendiges Ritual. Es reicht nicht zu wissen, das jemand gestorben ist, die Beerdigung ist eine Handlung, die dieses Wissen auch vollzieht. Bei der Abdankung sagen wir das erste Mal: «Dieser Mensch mit diesem Lebenslauf ist nun nicht mehr da, er fehlt.» Bleibt das aus, kann es Hinterbliebenen jahrelang nachgehen.
Wie schätzen Sie aus seelsorgerlicher Perspektive eine Teilnahme über das Internet ein?
Es ist sicher besser, als gar nicht dabei zu sein. Bislang war es so, dass Pfarrer an Menschen, die bei der Beerdigung verhindert waren, ab und an die Predigt verschickten. Das wurde durchaus geschätzt. Eine Teilnahme per Livestream geht in eine ähnliche Richtung und ist daher begrüssenswert.
Hinter dem Bildschirm lässt sich keine Blume auf den Sarg legen,
keine spontane Fürbitte sprechen.
Das stimmt. Aber auch dafür gäbe es Lösungen. Die zugeschalteten Menschen könnten in dem Moment, in dem die Trauergemeinde in der Kirche so eine Handlung vollzieht, eine Kerze anzünden oder ihre eigenen Gedanken auf Papier bringen. Diesen Zettel könnten die Leute beispielsweise bei einem Besuch auf dem Friedhof vergraben oder der Trauerfamilie schicken. Das bedeutet allerdings, dass man die Menschen am Bildschirm vorab darüber informiert.
Am Bildschirm sitzt man alleine. In der Kirche herrscht Gemeinschaft. Wie wichtig ist diese Gemeinschaft für den Trauerprozess?
Die Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Einige Menschen, die tief trauern, sind in Schmerz versunken und fühlen sich durch Anwesende gar gestört. Andere wiederum finden Trost darin, dass sie nicht allein sind. Vor Corona war ja auch mehr körperliche Nähe möglich, für manche ist das sehr wichtig. Hinzu kommt, dass die Beerdigung eine Würdigung des Verstorbenen ist und schon die Teilnehmerzahl etwas über den Menschen aussagt. Manche Leute erzählen noch Jahre
später von der Beerdigung des Partners und heben jede schriftliche Beileidsbekundung auf.
Lässt sich die Gemeinschaft auf Distanz herstellen?
Sicher ist es hilfreich, sich mit anderen Teilnehmern danach über die Feier und die dabei entstandenen Gefühle auszutauschen. Und noch einmal den Kontakt zur Trauerfamilie zu suchen. Das wird von den nahen Angehörigen in der Regel begrüsst.
Anne-Marie Müller ist Pfarrerin in der Kirchgemeinde Zürich und schreibt in der Rubrik «Lebensfragen» für «reformiert.».