Auch Gespräche über Lebensthemen passen zu Halloween

Brauchtum

Halloween gilt für viele als keltisches Totenfest – fälschlicherweise. Denn nach historischen Erkenntnissen hat die Feier christliche Wurzeln. Was heisst das für Reformierte?

Praktisch weltweit wird am 31. Oktober gefeiert, geschnitzt, gegruselt – Halloween ist längst auch in Europa zum festen Termin im Kalender geworden. Doch die Hintergründe bleiben oft im Dämmerlicht oder in Vermutungen.

So soll ein uraltes keltisches Totenritual der Ursprung sein, das «Samhain» genannt wurde. Historische Erkenntnisse weisen aber darauf hin, dass das so nicht stimmt, wie ein Beitrag auf der Website theology.de zeigt. Vielmehr hat Halloween anfänglich einen christlichen Hintergrund.

Mythos keltischer Totengott

Gemäss der populären Version verabschiedeten sich die Druiden in der Nacht zum 1. November vom Sommer und feierten den «Todesfürsten Samhain». Die Toten sollten in dieser Nacht auf die Erde zurückkehren und sich neue Körper suchen – Opfergaben sollten sie besänftigen. 

Das klingt mystisch, hat aber keine historische Grundlage, wie es im Beitrag auf theology heisst. Denn weder in archäologischen Funden noch in schriftlichen Quellen taucht ein keltischer Gott oder ein Fest namens «Samhain» auf. Lediglich in gälischen Wörterbüchern findet sich «samhuinn» als Ausdruck von «Ende des Sommers» – also schlicht als Begriff für eine bestimmte Zeit, nicht aber einen Totenkult oder Ähnliches.

Ursprung in christlicher Tradition

Vielmehr liegt der wahre Ursprung von Halloween in der christlichen Tradition. Der Name leitet sich ab von «All Hallows’ Eve», dem Vorabend zu Allerheiligen («All Hallows»). Diese Feier wurde im 8. Jahrhundert eingeführt. Am 2. November folgt dann Allerseelen, der Tag des Gebets für die Verstorbenen.

Das Christentum hat kulturelle Bräuche nie nur abgewehrt, sondern oft aufgenommen, transformiert und theologisch gedeutet.
Stephan Jütte, Leiter des Kompetenzzentrums Theologie und Ethik und der Kommunikation bei der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS)

Auch der Mönch Beda Venerabilis in Nordengland erwähnte im 8. Jahrhundert keinen heidnischen Feiertag zu diesem Datum. Der November galt ihm lediglich als «Blutmonat», weil zu dieser Zeit Vieh geschlachtet wurde. Hinweise auf ein vorchristliches Totenfest fehlen völlig.

Vom Gedenktag zum Gruselspektakel

Erst im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstanden Volksbräuche rund um den Vorabend zu Allerheiligen. In Irland und Schottland glaubte man, die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Toten sei in dieser Nacht besonders dünn. Um sich vor Geistern zu schützen, verkleideten sich die Menschen furchterregend und stellten Laternen aus ausgehöhlten Rüben oder Kürbissen auf – die heutigen «Jack O’Lanterns».

Mit irischen Auswanderern gelangten diese Bräuche im 19. Jahrhundert in die USA. Dort entwickelte sich Halloween zu einem Volksfest: Kinder zogen verkleidet von Haus zu Haus, riefen «trick or treat» – «Süsses oder Saures» – und erhielten kleine Gaben. Der Abend vor einem kirchlichen Feiertag wurde zum ausgelassenen Gruselspass.

Auch eine Feier für Reformierte

In der reformierten Tradition werde die Welt nicht in «heilig» und «weltlich» unterteilt, sagt Stephan Jütte, Leiter des Kompetenzzentrums Theologie und Ethik und der Kommunikation bei der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS). Gottes Wirken sei vielfältig erfahrbar. «Das Christentum hat kulturelle Bräuche nie nur abgewehrt, sondern oft aufgenommen, transformiert und theologisch gedeutet», sagt der Theologe.

Halloween erfüllt hier ein Bedürfnis nach Inszenierung des Dunklen, nach kontrollierter Angst, nach Grenzerfahrung – und damit letztlich auch nach Sinn.
Stephan Jütte

Aus dieser Sicht ist für Jütte nicht die Herkunft einer Feier entscheidend, sondern seine Gestaltung im konkreten Kontext. «Wird Halloween zu einem Fest, das Kindern Freude bereitet, das soziale Räume öffnet, das Licht im Dunkeln anklingen lässt, so steht es nicht im Widerspruch zu christlicher Praxis.» Verstärke es aber Ängste, grenze andere aus oder erschöpfe sich in leerem Spektakel, sei eine kritische Distanz geboten.

Dass Halloween immer mehr zelebriert wird, sieht Stephan Jütte auch als Ausdruck eines tiefgreifenden kulturellen Wandels. In einer säkularisierten und oft entritualisierten Welt gewännen Festformen an Gewicht, die Emotion, Symbolik und Gemeinschaftserfahrung bündeln, sagt er: «Halloween erfüllt hier ein Bedürfnis nach Inszenierung des Dunklen, nach kontrollierter Angst, nach Grenzerfahrung – und damit letztlich auch nach Sinn.»

Gelegenheit für Gespräche

Zwar gebe es sicher kommerzielle Hintergründe – aber auch eine Konstante der Menschheitsgeschichte: Nämlich in der Suche nach Ausdrucksformen für das Unverfügbare, das Bedrohliche, das Todbringende – gerade in spielerischer oder ironischer Form. Feste wie Halloween seien daher auch keine Bedrohung christlicher Identität, sondern Gelegenheiten, um ins Gespräch zu kommen über zentrale Lebensthemen. 

«Als Christinnen und Christen sind wir gut beraten, nicht in kulturpessimistische Reflexe zu verfallen», folgert der Theologe. Halloween sei nicht heilig – aber es müsse auch nicht dämonisiert werden. «Es ist ein Spiegel: dessen, was Menschen bewegt.»