Recherche 29. August 2022, von Mayk Wendt

«Jeder Einzelne kann etwas bewirken»

Umwelt

Kehkashan Basu gastiert am World Ethic Forum in Pontresina. Die Gründerin von Green Hope pflanzt Bäume rund um den Globus, weil Bäume für sie die Grundlage des Lebens darstellen.

Frau Basu, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie an die Schweiz denken?
Kehkashan Basu: Ich denke sofort an die Schönheit des Landes. Auf so kleinem Raum ist die Schweiz so vielseitig, nicht nur landschaftlich, sondern auch kulturell. 

Obwohl Sie erst 22 Jahre alt sind, setzen Sie sich seit Jahren für den Umwelt- und Klimaschutz, für Abfalltrennung, Artenvielfalt und für Kinderrechte ein. Wie kam es dazu?
Vielleicht war das so vorbestimmt. Ich wurde am 5. Juni geboren, dem Welt-Umwelttag der Vereinten Nationen. Als ich noch sehr jung war, sah ich das Bild eines toten Vogels, dessen Magen mit Plastik gefüllt war. Das hat mich zutiefst berührt. Ich beschloss daraufhin, etwas dagegen zu tun.

Und dann haben Sie einen Baum gepflanzt.
Genau. Das war an meinem achten Geburtstag. Ausserdem begann ich, in unserer Nachbarschaft herumliegendes Plastik zu sammeln und die Menschen, vor allem Kinder, zu motivieren, Abfall zu sammeln und zu vermeiden.

Kann denn ein achtjähriges Mädchen schon etwas bewirken?
Ein Restaurant in unserem Ort versprach anschliessend, auf Plastik zu verzichten. Da realisierte ich, dass jeder Einzelne etwas bewirken kann, unabhängig vom Alter.

Mit zwölf Jahren haben Sie bereits Ihre Organisation Green Hope gegründet. Was machen Sie konkret?
Wir setzen uns für nachhaltige Entwicklung und nachhaltigen Lebensstil sowie für die Gleichberechtigung und Kinderrechte ein. Wir sind in 26 Ländern mit rund 300 000 Menschen aktiv. Wir organisieren Umweltworkshops, lokale Projekte zur Stärkung der Gleichberechtigung, insbesondere für Mädchen. Wir wollen junge Menschen trotz aller Probleme für diese Themen begeistern und ihnen eine Stimme geben. Wir organisieren Umweltakademien in Schulen und wollen Schülerinnen und Schülern mit Ausflügen die Umwelt näherbringen. Wir organisieren Müllsammlungen auf den Strassen, in den Flüssen und Seen, und immer wieder tun wir eines der wichtigsten Dinge: Wir pflanzen Bäume.

Was sind aus Ihrer Sicht weitere Themen, die dringend angegangen werden müssen?
Die Bodenzerstörung und Bodendegradation sind zentrale Themen. Ohne fruchtbare Böden kann es keine qualitativ hochwertigen Nahrungsmittel geben. Ausserdem sind die nachhaltige Produktion von Gütern und unser Konsumverhalten grosse Themen. Hinzu kommen die Nutzung und der Ausbau alternativer Energien.

Der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine, drohende Wasserknappheit und viele der von Ihnen angesprochenen Themen beschäftigen die Gesellschaft. Was ist Ihrer Meinung nach aber das grösste Problem der Menschen?
Ganz ehrlich, ich glaube, dass es einfach die Teilnahmslosigkeit der Menschen ist.

Können Sie das bitte genauer ausführen?
Wenn wir uns nicht um die Gegenwart kümmern, haben wir keine Zukunft mehr. Als gesamte Menschheit haben wir es mit zahlreichen Herausforderungen zu tun, und noch immer interessiert dies die Menschen überhaupt nicht. Ich spreche auch von Staatsoberhäuptern und ganzen Staaten. Wir müssen uns um den Planeten kümmern. Wir haben nur diesen einen.

Und was gibt Ihnen Hoffnung, dass es besser wird?
Wenn es gelingt, empathisch mit uns und der Umwelt zu sein, dann verstehen wir auch, was es braucht oder was es auch nicht braucht. Empathie lässt Wertschätzung entstehen. Das wiederum lässt uns mehr Sorge zu unserem Umfeld, der Natur und den Menschen tragen. Wir müssen auch Sorge zu unseren Mitmenschen tragen. Wenn ich sehe, wie wir mit unseren Projekten von Green Hope Dinge bewegen und verändern können, stimmt mich das zuversichtlich. Wir arbeiten direkt in den Gemeinden und Gemeinschaften, direkt an der Basis. Es sind auch die kleinen Dinge, die zählen. In einem syrischen Flüchtlingslager führten wir beispielsweise einen Umweltworkshop für über 600 Kinder durch. Das Projekt stand unter dem UN-Motto «Niemanden zurücklassen».

2012 haben Sie auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro mit Staatsoberhäuptern gesprochen. 2017 haben Sie vor dem UN-Menschenrat in Genf referiert, ebenso auf der UN-Umweltkonferenz in Deutschland. Nun sind Sie Gast beim World Ethic Forum in Pontresina im Engadin. Welche Erwartungen haben Sie an das Forum?
Wissen Sie, was das Besondere bei den von Ihnen genannten Veranstaltungen war? Es ging immer um die Zukunft, aber es waren keine Kinder oder Jugendlichen anwesend. Der Austausch mit Gleichgesinnten hier in Pontresina ist sehr wichtig. Jeder wird mit neuen Erkenntnissen wieder gehen und andere Menschen positiv beeinflussen. Wir brauchen heute dringend die Umsetzung von mehr ethischen Werten in unserem täglichen Leben. Unser heutiger Lebensstil hat uns dahin geführt, wo wir jetzt stehen. Neben allen Gesprächen, Diskussionen und theoretischen Inhalten ist es wichtig, dass wir praktisch handeln. Das verspreche ich mir vom Forum in Pontresina: dass wir ins Tun kommen und handeln.

World Ethic Forum

Das World Ethic Forum ist als siebenjährige Forschungsreise angelegt. Ziel des Forums ist es, die Frage, wie wir zu einer neuen Verantwortung und lebensbejahenden Beziehung im Umgang mit uns selbst und mit der Erde kommen, zu  erforschen. Diese Reise wird mit 50 sogenannten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren angetreten. Diese Menschen kommen aus unterschiedlichen Orten, ethnischen Gruppen und Tätigkeitsbereichen. Schirmfrau ist Prof. Dr. Vandana Shiva, sie ist u. a. Mitglied des Weltzukunftsrats. Das Forum findet 27./28. August in Pontresina im Engadin statt.

Kehkashan Basu, 22

Ihre Wurzeln hat Kehkashan Basu im Osten Indiens, in Bengalen. Geboren in Dubai, lebt sie heute in Kanada. Im Alter von zwölf Jahren gründete sie ihre eigene Umweltschutzorganisation Green Hope, und mit 18 Jahren gewann sie den Internationalen Kinderfriedenspreis 2016. Inzwischen ist sie ein Sprachrohr für Jugendliche geworden und wird mitunter auch als Öko-Kriegerin bezeichnet.