Recherche 13. Oktober 2020, von Hans Herrmann

Vom heiligen und unheiligen Gesicht des Goldes

Kultur

Gold ist nicht nur künstlerisch, finanziell und technisch bedeutsam, es hat auch eine spirituelle Seite. Gespräch mit dem Goldkenner Werner Lüthi über das begehrte Metall.

Kaum ein natürliches Material fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden so wie das Gold. Es ist der Stoff, aus dem die Träume sind – und der Nährboden für so manches blutige Verbrechen. In ihrer Gier nach Gold unterwarfen die spanischen und portugiesischen Eroberer ganz Südamerika, und auf Gold waren auch die Piraten der Karibik aus. Gold hat aber auch eine spirituelle, ja religiöse Komponente. In der Schweiz kommt das Wissen rund um die Entstehung, Gewinnung, Verarbeitung und kulturelle Bedeutung des edlen Metalls in einem Kompetenzzentrum zusammen: in der Goldkammer Schweiz, vormals Helvetisches Goldmuseum. Die Goldkammer ist Teil des neuen Museums im Schloss Burgdorf. Werner Lüthi, Gründer und Leiter der Goldkammer, berichtet im Interview über mystische, spirituelle und kulturelle Aspekte des Goldes.

Herr Lüthi, Sie kennen das Gold in all seinen Facetten, sind selber auch als Goldwäscher aktiv. Was fasziniert Sie so an diesem Material?

Gold ist ein Metall, das überall eine Rolle spielt, in der Geschichte, Geologie, Astronomie und Kunst. Das sind alles Gebiete, die mich interessieren. Das Gold bildet sozusagen die Klammer. Wenn ich mich damit befasse, führt es mich auch immer wieder zu neuen Geschichten und Erkenntnissen. Zum Beispiel: Warum fanden Goldsucher in Alaska fossile Kamelknochen?

Ja – warum?

Offenbar war eine Urform des Kamels vor Jahrmillionen in Nordamerika heimisch. Von dort wanderte es über die damals noch auf dem Landweg passierbare Beringstrasse nach Asien und in den mittleren Osten. Es gelangte aber auch bis nach Südamerika, wo es sich zum Lama entwickelte. Von den Goldsuchern in Alaska und ihren Knochenfunden führt die Spur also weiter zu einem zoologischen Thema. Solche Querbezüge finde ich spannend.

Was hat Sie dazu inspiriert, ein Goldmuseum einzurichten?

Das war vor 30 Jahren, als ich begann, mich intensiv mit Gold zu befassen. Auch das Goldwaschen kam in breiteren Bevölkerungskreisen auf. Es gab schon damals Museen, in denen vor allem Schaustücke rund um das Gold zu sehen waren. Was fehlte, war eine historische Präsentation des Themas. Hier wollte ich einhaken. Als vor 20 Jahren im Schloss Burgdorf ein Kellerraum frei wurde, bekam ich die Möglichkeit, hier, im alten Verlies, das Goldmuseum einzurichten.

Die Geschichte des Goldes hat viele spannende Querbezüge.
Werner Lüthi

Gold ist so teuer, weil es so selten ist. Wie selten?

Alles Gold, das von den Menschen bisher gefördert wurde, wiegt hochgerechnet 197’000 Tonnen und ergibt einen Würfel von 21,7 Metern. So gross ist ungefähr der Wohnturm des Schlosses Burgdorf. Im ganz grossen Stil geschieht Goldförderung erst seit ein paar Jahrzehnten. Gemäss Schätzungen reicht es noch für 20 bis 25 Jahre, dann sind die Vorräte erschöpft. Anders gesagt: Zwei Drittel des natürlichen Goldvorrats sind bereits abgebaut, jetzt ist das letzte Drittel an der Reihe.

Wie kam Gold zum ersten Mal in die Hände der Menschheit?

Vermutlich hat jemand in grauer Vorzeit in einem Bach mal ein Nugget gefunden und war von seinem nie verblassenden Glanz und seinem Gewicht fasziniert. Die ursprüngliche Form der Goldgewinnung ist jedenfalls das Waschen. Hierzu verwendete man Schaffelle. Gerade in der goldreichen Schwarzmeerregion war diese Methode weit verbreitet. Daher stammt auch die altgriechische Sage vom Goldenen Vlies, also vom goldenen Widderfell. Der Bergbau kam später. Die Ägypter waren darin wahre Meister.

Gold hat eine geradezu mystische Herkunft – es stammt von den Sternen. Wie muss man sich das vorstellen?

Am Ende ihrer Lebensdauer fallen manche Sterne zu sogenannten Neutronensternen zusammen. Diese sind sehr klein und extrem dicht. Prallen nun zwei solche Sterne aufeinander, entstehen die schweren Elemente, darunter auch Gold. Diese Partikel fliegen nach dem gewaltigen Zusammenstoss frei im All umher und vermengen sich mit anderem Material. Aus solchem leicht goldhaltigen Material ist unter anderem auch die Erde entstanden. Ein Teil des irdischen Goldes – besonders jenes an der Oberfläche – stammt wohl auch vom Beschuss durch Meteoriten.

Ursprünglich verwendete man zum Goldwaschen Schaffelle. Daher stammt auch die Sage vom Goldenen Viles, also vom goldenen Widderfell.
Werner Lüthi

Gold war schon immer eine grosse Versuchung für Verbrecher. Gibt es einen Raub oder sonst einen Coup, der besonders spektakulär war?

Ja – ich denke da an den Raub des Berner Staatsschatzes durch das einfallende Franzosenheer im Jahr 1798. Das war Gold im Wert von damals 136 Millionen Franken. Es handelte sich um einen der grössten Staatsschätze Europas. Heute läge dieser Wert im mehrstelligen Milliardenbereich. Und 1986 wurden in Heathrow bei London 6800 Goldbarren im Wert von 30 Millionen geraubt, nur wenige dieser Barren sind seither wieder zum Vorschein gekommen.

Gold eignet sich zur Schmuckherstellung – und wozu sonst noch?

Gold ist auch vielseitig verwendbar in der Technik: Es leitet gut, rostet nicht und lässt sich extrem dünn auftragen. Manche Elektronikteile, zum Beispiel Stecker, sind vergoldet. Auch in der Medizin findet Gold Anwendung. Bekanntlich als sehr verträgliches Material für Zahnfüllungen. Geforscht wird auch an einem Goldimplantat als Mittel gegen eine seltene Augenkrankheit, bei der man die Augen nicht mehr schliessen kann. Manche Köche veredeln ihre Speisen mit Blattgold, und Verpackungen mit Goldschimmer – in diesem Fall ist das Gold natürlich nicht echt – wirken bei Luxusprodukten besonders verkaufsfördernd.

Gold hat auch eine starke spirituelle Komponente. Wie äussert sich dies?

Gold gilt in vielen Religionen als das Reinste. Die Inka bezeichneten es als die Tränen der Sonne, die Ägypter als das Blut der Götter. Im Buddhismus ist es eine Opfergabe, welche die Gläubigen in dünnsten Blättchen kaufen und an einer Buddhastatue anbringen. Auf diese Weise bekommen die Statuen im Lauf der Jahre und Jahrhunderte einen kompletten Überzug aus reinem Gold. Auch auf den Heiligenbildern der orthodoxen Kirche, den Ikonen, findet sich Gold.

Verpackungen mit Goldschimmer wirken bei Luxusprodukten besonders verkaufsfördernd.
Werner Lüthi

Tatsächlich? Enthält der goldfarbene Hintergrund der Ikonen echtes Gold?

Ja, häufig ist es aufgetragenes Blattgold, auf das der Künstler dann sein Motiv malt. Manchmal handelt es sich auch um Farbe aus Goldpulver. Mit dieser Farbe werden übrigens manchmal auch Bilderrahmen vergoldet.

Der unethische Abbau von Gold rückt zunehmend ins öffentliche Bewusstsein. Wie lautet Ihr Kommentar zu diesem Thema?

Das ist ein grosses Problem. Die goldfördernden Firmen wollen Geld verdienen – auf Kosten der Armen, die die Arbeit machen. Wenn der Mensch Gold sieht, wird er gierig. Das war schon immer so, leider. Das betrifft nicht nur die goldreichen Schwellenländer der Gegenwart. In Europa wurde bereits im Mittelalter Gold auf eine Weise abgebaut, die mancherorts zu grossflächigen Umweltschäden führte. Man hat offenbar ganze Landstriche umgepflügt. Spuren davon sieht man zum Beispiel noch heute im Bayerischen Wald nahe der tschechischen Grenze. So hat das Gold eben seine Licht- und seine Schattenseiten.

www.schloss-burgdorf.ch

Wo das Goldwissen zusammenkommt

Werner Lüthi (67) war hauptberuflich Bauinspektor auf der Verwaltung des Kantons Bern. Nebenamtlich wirkte er während Jahren als Leiter des Schlossmuseums Burgdorf. Er ist Redaktor der Schweizer Goldwäscherzeitung und Autor mehrerer Publikationen zum Gold. So hat er auch am Standardwerk «Gold in der Schweiz» mitgeschrieben. Im Jahr 2000 gründete er das Helvetische Goldmuseum, das heute als Goldkammer Schweiz im wiedereröffneten Museum des Schlosses Burgdorf integriert ist. Die Sammlung ist schweizweit einzigartig und dokumentiert die Geschichte der Goldsuche in der Schweiz von der Frühzeit bis zur beliebten Freizeitbeschäftigung Goldwaschen.