Ein sinnlicher Film im Gottesdienst

Fantoche

Die reformierte Kirche Baden machte am «Fantoche» mit. Das kam gut an.

Die Nachricht, dass die reformierte Kirche Baden einen erotischen Animationsfilm zeigt, kam in vielen Medien. Ist die Kombination von Kirche und Erotik so erstaunlich?
Christina Huppenbauer: Ich hätte nicht gedacht, dass das für so eine Überraschung sorgt. Glaube und Erotik scheinen nicht zusammenzupassen, allerdings muss man sich fragen, was das grössere Tabu ist: Glauben oder Sexualität? Über den Glauben wird heutzutage noch weniger gesprochen als über Sex.

Gab es im Vorfeld Reaktionen aus der Kirche?
Erst nach dem Gottesdienst. Die Leute waren sehr berührt, ich hörte nur Gutes. Einige wollten den Predigttext haben.

Der Film «Adam» war allerdings recht harmlos. Man sah Körperteile in Lehm auftauchen, kurz legten sich Hände auf Brüste, verhakten sich Beine. Es war sinnlich, aber nicht sexuell aufgeladen. Doch sagten Sie der Gemeinde zu Beginn des Gottesdiensts, dass diese wüssten, worauf sie sich einlassen. Offenbar schien Ihnen das Thema heikel?
Sexualität ist generell für Menschen ein delikates Thema. Wir sind darin sehr verletzlich, und die Grenzen dessen, was geht, sind für jeden anders. Da wir so unterschiedlich darüber denken und empfinden, ist es so schwierig, darüber zu reden.

Was motivierte Sie, die Kirche im Animationsfilmfestival mit dem Titel «Doucement sexy» einzubinden?
Ich knüpfe gern an das lebendige kulturelle Angebot von Baden an. So kontaktierte ich vor einem Jahr die Festivalleiterin Annette Schindler. Sie sagte, dass das diesjährige Thema «Doucement sexy» ist, das ja sicher nicht für uns infrage käme. Ich sagte doch natürlich, sogar sehr! In der Bibel gibt es zahlreiche Stellen, in denen Sexualität vorkommt, schreckliche und schöne. Schindler zeigte mir verschiedene Filme, so entdeckte ich «Adam». Darin geht es um die Sinnlichkeit und Sinne des Menschen, unter anderem den Tastsin. Der Tastsinn ist ja das Thema der diesjährigen Schöpfungszeit. Das passte daher bestens.

Die reformierte Kirche gilt ja überhaupt nicht als sinnlich.
Ich sehe zwei Gründe. Die Lehre, also die Bibel und die Predigt, steht im Zentrum, nichts soll ablenken. Zweitens erinnert der Körper an Vergänglichkeit, die Kirche möchte aber Ewigkeit. Ich finde aber, dass die Reformierten offener geworden sind. Unser Tangoworkshop an der langen Nacht der Kirche kam super an. Auch Handauflegen gibt es immer öfter. Aber man bleibt skeptisch und will sich von Esoterik und Charismatikern abgrenzen.

Sie sagten im Gottesdienst, dass die Sinne den Menschen mit der Ewigkeit verbinden, die Macht zur Transzendenz haben. Gehörte da der Körper nicht viel mehr eingebunden in die Kirche?
Ja, wir sind darin aber leider nicht so ausgebildet. Die Katholiken pflegen die Sinnlichkeit viel mehr. Immerhin haben wir heute auch Kerzen (lacht). Ich erlebe selbst oft, dass ich durch Sinneseindrücke eine Ahnung der Ewigkeit bekomme. Ich lag mal auf einer Wiese und schaute in den Himmel. Plötzlich wusste ich nicht mehr, ob der Himmel oder die Erde oben war. Wer trägt denn da eigentlich wen?

Die Kirche hat stattdessen mit ihrer Moral die Sinnlichkeit für viele zu einem schwierigen Unterfangen gemacht.
Ja und darum ist es gar nicht so einfach, etwas Gutes dazu zu sagen, ohne dass es bevormundend wirkt. Doch es hat geklappt. Ich habe die Gemeinde selten so konzentriert erlebt. Es war ganz still. Niemand hustete!

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