Es ist seltsam, diese Ehe- und Liebesgeschichte erzählt zu
haben, in der die Erkrankung des Mannes so viel Raum einnimmt und oft Eva
Hartmanns eigene Perspektive zu verdrängen droht. Doch gerade da ist sie
typisch für die Erzählung eines Menschen, der an der Seite eines depressiven
Menschen lebt. Eva Hartmanns Geschichte und ihre Beziehung zu Max Hartmann ist
einmalig, und doch dürfte vieles auch exemplarisch dafür sein, was es bedeutet,
mit einer depressiven Person zusammenzuleben.
So zumindest sehen es die Expertinnen und Experten, mit
denen ich im Nachgang des Treffens mit Eva Hartmann sprach, um ihre Geschichte
einzuordnen. Der Psychiatriefachmann Thomas Lampert, Angehörigenberater in
den St. Gallischen Psychiatrie-Diensten Süd, erkennt darin eine typische
Dynamik: «Das eigene Leben gerät, zumindest zeitläufig, in den Hintergrund,
wenn eine Person im nahen Umfeld psychisch erkrankt.» Ebenso typisch sei
die lange Zeit, in der Angehörige in Sorge sind: «Es ist oft so, dass eine
Depression eine lange Vorlaufphase hat. Fast immer schwanken die Angehörigen zu
Beginn zwischen Irritation und Besorgnis. Sie verstehen nicht, warum der
Partner oder die Partnerin sich als Opfer sieht, gereizt ist, nicht mehr mag.»
Eine Depression dahinter zu erkennen, sei nicht einfach, so Lampert: «Anfangs
denken viele einfach an Stress, der vorübergeht.»
Dabei sei das Umfeld zentral für die Begleitung einer
erkrankten Person. So macht er sich dafür stark, auch das Umfeld in die
Behandlung miteinzubeziehen. Teils seien es auch die Angehörigen, die Erkrankte
ermutigten, professionelle Hilfe zu holen, etwa wenn Betroffene den Schritt
nicht mehr schafften oder die Depression bagetellisierten. Wichtig sei aber
trotzdem, sich nicht ganz vereinnahmen zu lassen vom Leid des Partners: «Der
Impuls zu helfen ist riesig. Das eigene Leben sollte aber nicht aus dem Blick
geraten. Und auch Abstand ist wichtig. Sonst entsteht eine ungute Dynamik in
einer Familie, es droht aber auch eine Erschöpfung der Angehörigen.» Denn bis
zu einem gewissen Grad sei eine Depression «ansteckend». «Wer sich zu sehr
verausgabt, kann selber erkranken.» So rät Lampert Betroffenen, sich
Auszeiten zu nehmen und weiterhin am sozialen Leben festzuhalten und sich mit
Freunden auszutauschen. Und sich auch selber, wenn nötig, Beratung und Hilfe zu
suchen.
Eine solche Hilfe erhalten Betroffene unter anderem von der Selbsthilfeorganisation
Vereinigung Angehöriger von psychisch Kranken (VASK). Sie bietet
Angehörigen beispielsweise Telefonberatungen. «Der Austausch mit anderen
Angehörigen kann enorm erleichtern. Man ist nicht mehr so alleine», sagt
Psychologin Monika Staub von der Sektion Zürich, die selber psychisch erkrankte
Personen in ihrer Familie hat und aus eigener Erfahrung spricht. «Themen wie
Schuld, schlechtes Gewissen, Überforderung, aber auch permanente Angst um den
Erkrankten, etwa bei suizidalen Personen: da ist es gut, reden zu können.»