Er hat ein Gefühl für Menschen und Engel

Porträt

Bekannt wurde er als Notfallseelsorger und Engelsforscher. Jetzt wird Pfarrer Peter Schulthess pensioniert – und präsentiert sein neues Buch.

In Jeans, Hemd und Sneakers wirkt er beinahe jugendlich. Dabei geht Peter Schulthess Ende Monat in den Ruhestand. Etwas nervös sei er schon, sagt er, während er dabei zusieht, wie ein paar Männer beim Altar ein Gerüst für seinen Abschlussgottesdienst aufbauen. Dreiundzwanzig Jahre war er Pfarrer in der Zürcher Gemeinde Pfäffikon; war die idyllisch am See gelegene Kirche sein «wichtigster Arbeitsort». Für seine letzte Predigt hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen: «Eine Akrobatin wird an einem hier aufgehängten Tuch verschiedene Figuren zeigen.» Denn: Genau so verschieden wie die akrobatischen Figuren seien die Verbindungen, die Menschen mit Gott eingehen.

Innovation im Blut. Peter Schulthess hat einen freundlichen Blick, empfängt einen herzlich, bietet sogleich das Du an.Von sturen Glaubensvorstellungen und festgefahrenen Meinungen hält er nichts – «all das Globalisierte, Monopolisierte gibt es bei Gott nicht». Darum habe er sich immer auch um die sogenannten Kirchenfernen bemüht. Menschen, die zwar nicht in den Gottesdienst kommen, aber dennoch nach etwas Spirituellem suchen. «Sie reden vielleicht nicht von Gott, aber von einer höheren Macht.» Sie wollen in der Kirche heiraten, ihre Kinder taufen lassen. In seinen Predigten suche er darum stets nach Verbindungen zwischen modernen Lebenswelten und der Bibel. Bisweilen unkonventionell: An einer Beerdigung interpretierte er kürzlich Schlagertexte; «man muss die Leute da abholen, wo sie stehen». Dass er manchmal auch jemanden vor den Kopf stösst, versteht sich da fast von selbst.

Schulthess mit seinem fein gestutzten Schnauz als äusseres Markenzeichen ist ein innovativer Typ. Ursprünglich erlernte er den Beruf des Kaufmanns, «da muss man innovativ sein». Weitum bekannt wurde er als Autor und Notfallseelsorger. Als junger Pfarrer baute er den Dienst im Zürcher Oberland mit auf. Er wurde zum Tatort gerufen, als 2011 ein Kosovare in Pfäffikon seine Frau und eine Sozialarbeiterin auf offener Strasse erschossen hatte, «ein grauenvolles Ereignis». Seine Erlebnisse hat er in einem Buch festgehalten, das bereits in der dritten Auflage erschienen ist. Als Notfallseelsorger steht der vierfache Familienvater mit beiden Beinen auf dem Boden. Dabei hat er auch eine sehr subtile Seite. Nämlich dann, wenn es um Engel geht.

Engel als Wegweiser. Einmal sind ihm persönlich Engel erschienen. «Sie wiesen mir den Weg zum Pfarrberuf.» Per Inserat suchte er darauf Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Es meldeten sich so viele, dass ihre Geschichten ein ganzes Buch füllten. Seither ist er als Engelsforscher ein gern gesehener Gast in TV-Sendungen oder an Podien. Oft wird er gerufen, wenn sich jemand in seinem Haus unwohl fühlt, etwa nach einem Brand oder Einbruch. «Dann segne ich das Haus», erklärt er, als wäre es ganz selbstverständlich.

Ein lautes Bohrgeräusch verscheucht die Gedanken ans Übersinnliche. Am Sonntag will er allen Besuchern sein neues Buch schenken: Darin berichtet er augenzwinkernd aus seinem bewegten Pfarralltag – «Als Zeichen der Dankbarkeit für die schönen Jahre, die ich hier erleben durfte.»

Peter

Schulthess, 65

Er holte auf dem zweiten Bildungsweg die Matura nach und studierte Theologie. Mit «Hiobsbotschaften – Erfahrungen aus der Notfallseelsorge» und «Es gibt mehr – Erfahrungen mit einer unsichtbaren Wirklichkeit» machte er sich einen Namen als Autor. Am 29. Oktober verabschiedete er sich mit dem Buch «Herr Pfarrer, beten sie richtig!» von der Kanzel.