Porträt 21. Mai 2024, von Sandra Hohendahl-Tesch

Ihre Leidenschaft ist dreidimensional

Kunst

Magischer Kubus und blühende Spiegel: Kuratorin Maja von Meiss lockt Kunstliebhaber aus der ganzen Schweiz ins Weiertal zwischen den Hügeln und Wälder bei Winterthur.

Es wimmelt nur so von Blüten. «Die drehenden Spiegel sind so ausgerichtet, dass sie die Umgebung, den Obsthain und nicht wie gewohnt die Betrachter reflektieren», erläutert die wortgewandte Frau. «Das macht das Objekt, den ‹hidden tree› von Sabina Gnädinger, so spannend.» Sie muss es wissen, denn Maja von Meiss ist die Kuratorin.

Dreidimensionale Kunst ist ihre grosse Leidenschaft. Seit 2001 organisiert sie jährliche Ausstellungen und ab 2009 alternierend Biennalen mit bekannten Künstlerinnen und Künstlern und jungen Talenten. Präsentiert werden die Werke im malerischen Weiertal, zwischen den Hügeln und Wäldern in der Nähe der Stadt Winterthur.

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Im weitläufigen Garten finden sich derzeit 17 Kunstobjekte. Sie sind eigens für die Ausstellung projektiert, ausgewählt vom kritischen Auge von Meiss. An diesem kalten Tag im April führt sie durch die Schau, die bald eröffnet werden wird. Schnee fällt, was eigenartig mit den rosaroten Blüten und dem Gezwitscher der Vögel kontrastiert.

«Hortus conclusus – im Garten der Sinne», heisst die diesjährige Ausstellung. Sie offenbare eine abgeschirmte Welt, die im Inneren ihren Zauber entfalte. Nicht abstrakt und elitär. «Viel mehr gehört dazu auch das Quaken der Frösche oder der Duft der Blumen», bemerkt die Gastgeberin. Nun steht sie vor einem Kubus, angefertigt vom Künstler Markus Fehr. Er besteht aus vielen sorgfältig geschichteten Latten. Im Inneren verbirgt sich ein runder, von einer kuppelförmigen Decke abgeschlossener Raum. Durch drei schmale Schlitze fällt je nach Tageszeit Licht ins Innere.

Es fühlt sich an wie in einer Kapelle. «Hier klingen religiöse Bezüge an», bestätigt von Meiss. Alle Kulturen hätten ihre eigenen Bilder vom Paradies als Garten und dem Leben darin, was sie am Thema fasziniere. Gerade heute, wo immer mehr Leute unter Ängsten litten, seien sinnliche Erfahrungen wichtig. «Einige der Installationen dürfen berührt werden.» Inzwischen ist von Meiss bei einem nächsten Werk angelangt. Spielerisch setzt sie die Skulptur aus Stahl in Bewegung.

Von der Stadt aufs Land

Der Garten diente der Familie von Meiss viele Jahre als privater Lebensraum. «Hier liefen die Kinder im Winter Schlittschuh», erzählt sie und zeigt auf den Weiher, auf dem in diesem Moment eine Ente landet. Die Frau im blauen Samtblazer, der mit der Farbe ihrer wachsamen Augen korrespondiert, scheint alles auf einmal wahrzunehmen. 

Geboren wurde von Meiss 1955 in Wetzikon. Nach dem Psychologie-Studium bildete sie sich in Psychotherapie weiter und arbeitet seit 40 Jahren in eigener Praxis als Psychotherapeutin in Winterthur, jetzt noch halbtags. «Ich mag die konzentrierte, ganz gegen innen gerichtete Arbeit», sagt sie.

Ins Weiertal zog sie einst zu ihrem Ehemann Rick von Meiss, der das alte Landgut mit einer Hektare Land in den 80er-Jahren erwarb. Zuerst fühlte es sich für die junge Städterin nach etlichen Jahren an der Rämistrasse in Zürich wie ein Kulturschock an, gibt sie lächelnd zu. Doch dann verliebte sie sich in die Natur. Ihr Mann war Hausarzt, daneben kümmerte er sich um den Garten, was er auch heute im Pensionsalter noch leidenschaftlich tut. Er pflanzte die zahlreichen Bäume, darunter auch zahlreiche alte Sorten. «Hier war noch nie ein Gärtner am Werk», sagt von Meiss.

Heute ziehen die Ausstellungen viele Tausende Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz an. 2018 wurde Maja von Meiss mit dem Kulturpreis der Stadt Winterthur ausgezeichnet. Dafür, dass sie Kunst und Natur zu einem wunderbaren Gesamtkunstwerk zu verbinden weiss.

Hortus conclusus. Ab 26. Mai, Do–Sa, 14–18 Uhr, So, 11–17 Uhr, galerieweiertal.ch