Porträt 26. März 2024, von Veronica Bonilla Gurzeler

Instrument des himmlischen Klangs

Musik

Die Bieler Sängerin Eli Schewa Dreyfus hat ein Oratorium geschrieben, das den Weg zum Frieden weist – vom alten Ägypten ins Jetzt.

Aufrecht steht Eli Schewa Dreyfus in ihrem hellen Musikzimmer an der Harfe. Sie hält das von Hand gefertigte Holzinstrument im rechten Arm und zupft mit flinken Fingern die Saiten. «Soll ich etwas singen?», fragt sie. Die Zuhörerin nickt. Als Eli Schewas glockenreine Sopranstimme erklingt, ist es, als würden selbst die Osterglocken in der Vase aufhorchen, um ihr zu lauschen.

Etwas später sitzt die 37-Jährige am kleinen Tischchen, hält eine chinesische Teetasse in der Hand und erzählt. Schon in ihrer Kindheit sei in ihrem Umfeld viel musiziert und gesungen worden. «Ich merkte, dass ich mich mit etwas Grösserem verbinde, wenn ich singe», erinnert sie sich. Das Schwere, das es in ihrer Jugend auch gegeben habe, sei dann von ihr abgefallen, Freude habe sich eingestellt. «Ich spürte, dass die Menschen, die mir zuhörten, durch die Einfachheit des Klangs ebenfalls mit einer grösseren Dimension in Kontakt kamen.»

Gesungenes Gebet

Für ihr aktuelles Programm «Von Isis zu Maria – zur neuen Sophia» machte sich die klassisch ausgebildete Konzertsängerin 2022 auf eine musikalisch-spirituelle Forschungsreise. Diese führte sie in die Tempel der ägyptischen Göttin Isis, wo ihr eine aufrechte Schutzherrin über Leben und Tod begegnete, und ins Marienheiligtum der Kathedrale von Chartres südwestlich von Paris. Wo die Kirche steht, wurde schon in vorchristlicher Zeit «eine Jungfrau, die gebären wird» verehrt.

Die Künstlerin brachte von ihren Reisen Melodien und Inspirationen mit in ihr Musikzimmer an ihrem Wohnort in Biel. In der Auseinandersetzung mit jenem Kulturraum, auf den sich die geistlich-abendländische Musik bezieht, formte sich in ihr ein Oratorium. Ein gesungenes und von Instrumenten begleitetes Gebet. «Ein Oratorium aus weiblicher Sicht», fügt Eli Schewa an, auf dem Hintergrund ihrer eigenen Geschichte. Eli Schewa – Elisabeth auf Hebräisch – ist die Tochter einer christlich-deutschen Mutter und eines jüdischen Vaters, der Psychotherapeut und Arzt war und vor gut 40 Jahren auf der Schweibenalp im Berner Oberland das «Zentrum der Einheit» gründete. 

Ich musste mich dem Schmerz stellen und meinen eigenen Weg gehen.
Eli Schewa Dreyfus

Botschaft der Frauenfiguren

Bereits früh kam Eli Schewa mit den Weisheitslehren der Weltreligionen und indigener Volksgruppen in Kontakt. Aber da waren auch die transgenerationalen Traumata ihrer Familie, dazu gesellten sich die eigenen schmerzhaften Erfahrungen.

«Mir wurde klar, dass ich dem himmlischen Klang nur ein Instrument sein kann, wenn ich mich dem Konflikt- und Schmerzhaften stelle und gleichzeitig einen eigenen, authentischen Weg gehe», sagt Eli Schewa Dreyfus. Der eigene Prozess sei die Voraussetzung dafür gewesen, die Botschaft dieser grossen Frauenfiguren Isis, Maria und Sophia zu verstehen und zu singen. Sie handeln von Mitgefühl und Vertrauen in die göttliche Führung.  

Dreyfus ist aber nicht nur Künstlerin, sondern auch Gesangslehrerin, Kursleiterin, Ehefrau und Mutter von zwei Töchtern im Schulalter.Sie erzählt von der Herausforderung, die Vielschichtigkeit der verschiedenen Aufgaben unter einen Hut zu bringen. Der Alltag biete Gelegenheit, immer wieder Verständnis für die Verletzlichkeit eines jeden Einzelnen aufzubringen und Frieden ganz praktisch zu leben. Sie lacht und sagt: «Wir machen das ganz gut.»

Vor fast genau einem Jahr hat Eli Schewa «Von Isis zu Maria – zur neuen Sophia» mit dem Ensemble Marisis uraufgeführt und danach als CD herausgebracht. Im April folgen die sechs Musikerinnen und Musiker einer Einladung nach Berlin in die Gedächtniskirche, ein Mahnmal des Zweiten Weltkriegs.  

«Die Dringlichkeit, die Botschaft dieser musikalischen Friedensreise in die Welt zu bringen, ist heute sogar noch grösser als vor einem Jahr», sagt Dreyfus. 

Konzertdaten Schweiz

-  26. Mai 2024, Katholische Kirche Heilig Geist, Zürich-Höngg,  18.00 Uhr

-  20. Juli 2024,  Klosterkirche Dornach (SO) , 19.30 Uhr