Die Macht der Gedanken in Bilder gebannt

Spiritualität

Kurt Liechti zeichnet Codes der besonderen Art: Die Meditationsbilder entstehen während des Betens in einer Handschrift mit symbolisch und ästhetisch stilisierten Buchstaben.

Seine E-Mails unterschreibt er humorvoll mit QRT Liechti. QRT für Kurt – und zugleich für QR-Code. Denn Liechti hat Hunderte von Meditationszeichnungen angefertigt, etwas grösser als Spielkarten. Sie ähneln alle im weitesten Sinn den grob gepixelten Scan-Codes, wie sie im Alltag etwa auf Infotafeln, Einzahlungsscheinen oder Speisekarten anzutreffen sind.

Von Kurt Liechtis Wohnzimmer im Städtchen La Neuveville bietet sich ein schöner Blick auf den Bielersee. Zur Veranschaulichung sind auf dem Tisch einige in vergrössertem Massstab ausgedruckte Exemplare seiner spirituellen Grafiken ausgebreitet. Sie sind quadratisch und bestehen aus Zeilen von Zeichen, die wie die Runen einer Geheimschrift wirken und im Zusammenspiel in der Tat ein bisschen an die Matrix von QR-Codes erinnern.

Kurt Liechtis Codes dienen aber nicht dem Zugang zu schneller Information. Sie sind keine Zweckgrafiken des Digitalzeitalters, sondern von Hand und somit «analog» hergestellte, in geistlicher Sammlung entstandene Gebetsbilder.

Damit der Stift Schritt hält

Es begann im Jahr 2012, als Liechti beschloss, aus der Ohnmacht auszubrechen, unter der er angesichts der Widrigkeiten, Ungerechtigkeiten und Gräuel dieser Welt litt. «Wer keine politische Macht hat, kann scheinbar nichts bewegen», sagt er. Das stimme aber nur bedingt: «Ich glaube an die verändernde Kraft des Geistes. Wer gute Gedanken in die Welt setzt, kann Gutes bewirken.»

So machte er sich daran, seine guten Gedanken nicht nur als Gebete zu formulieren, sondern im Augenblick ihrer Entstehung auch schriftlich festzuhalten, «damit sie nicht einfach verfliegen». Um handschriftlich mit der Geschwindigkeit des Gedankenflusses mithalten zu können, entwickelte er seine ganz eigene Art des Schreibens: Er brachte jeweils immer nur den Anfangsbuchstaben des soeben gedachten Worts zu Papier, aber in einer veränderten und dekorativ verschlüsselten Form. So wurde beispielsweise das A zu einem Dreieck mit einem Punkt in der Mitte oder das W zu zwei übereinanderliegenden Winkeln.

«Manchmal variiere oder drehe ich die Zeichen», erklärt er. Die kurzen, aus dem Moment heraus gedachten und grafisch festgehaltenen Gebete sind Bitten, dass die göttliche Macht eingreifen und den Menschen Frieden und Wohlergehen bescheren möge, die Machtbesessenen zur Vernunft bringen und die Schwachen beschützen solle.

Empathie für die Welt

Wörtlich kann der Beter den Inhalt seiner Meditationsbilder nicht mehr rezitieren, die Initialen genügen als Gedankenstützen nicht. Das sei auch gar nicht nötig: Der tiefere Gehalt liege nicht im Wortlaut, sondern in der spirituellen Energie, die in der Zeichnung enthalten sei.

Aufgewachsen ist Kurt Liechti im Oberaargau, landeskirchlich reformiert, getauft und konfirmiert. Zur Hauptsache lebte er später im Emmental wie auch im Berner Oberland, und einzelne Jahre amtierte er als Mitglied des Kirchgemeinderats Brienz. Beruflich arbeitete er zuerst als Pädagoge und war danach viele Jahre schweizweit als Freischaffender mit seinen poetischen Bilderschauen unterwegs.

All das Fürchterliche, das jeden Tag stattfindet, muss aufhören.
Kurt Liechti, Meditationszeichner

Zunehmend entdeckte er irgendwann seine spirituelle Ader, machte sich Gedanken über das Göttliche und begann, am Leiden der Welt Anteil zu nehmen. Dabei kam er zum Schluss: «All das Fürchterliche, das jeden Tag in jeder Minute stattfindet, das muss aufhören.» Seither nimmt er sich «täglich einen Moment Zeit, um den Himmel darum zu bitten, dass sich die Welt zum Besseren wendet».

Liechtis Praxis mit den spirituellen QR-Codes zeitigte zwischen 2012 und 2023 einen Bestand von über 1000 Karten. Diesen Frühling verspürte er das Bedürfnis, damit eine kleine Aktion durchzuführen. Gemeinsam mit drei Grosskindern legte er im Chor der Kirche Ligerz rund 500 seiner QR-Zeichungen aus, fotografierte die Szenerie und sammelte danach die Karten wieder ein. Eine Pilgergruppe, die zufällig dazutrat, sei «interessiert und berührt» gewesen, erzählt Liechti.

Bei dieser einen Aktion möchte er es nicht bewenden lassen. Gern würde er sich mit seinen Meditationskarten auf Einladung in einem Gottesdienst einbringen, an einem Kirchensonntag mitwirken, eine Vesper oder einen anderen kirchlichen Anlass mitgestalten. Denn er ist überzeugt: «Je mehr Menschen sich in guten Gedanken zusammenfinden, desto grösser ist die Wirkung in der Welt.»