Endlich hat Rosangela Jarjours Warten eine Ende. Die aus Syrien stammende Generalsekretärin der Evangelischen Kirchen im Nahen Osten (FMEEC) hoffte seit langem, dass Europas evangelische Kirchen ihre «prophetische Stimme» für die verfolgten Christen im Nahen Osten erheben. Aber für die westlichen Kirchen war das Wort «Christenverfolgung» bisher tabu – auch für den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund und erst recht für das mit ihm verbundene Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (Heks).
Nun empfing Jarjour Anfang Mai eine gute Nachricht auf ihrem Computer im Beiruter FMEEC-Büro: Die Geschäftsleitung des Heks ist bereit, ein Pilotprojekt für die Kirchen im Libanon und in Syrien zu starten. Das Programm ist ausdrücklich auf die Stärkung der evangelischen Kirchgemeinden in Syrien und Libanon ausgerichtet. Für Heks setzte dieser Schritt einen Umdenkungsprozess voraus. Eigentlich hatte sich das Hilfswerk davon verabschiedet, mit kirchlichen Partnern Entwicklungszusammenarbeit zu betreiben. Die Maxime von Heks: Hilfe für die Schwächsten im Süden, «unabhängig von ihrer religiösen, politischen oder ethnischen Zugehörigkeit».
Reformierte Vermittler
Dabei gibt es seit jeher eine Ausnahme: In Osteuropa hat die Heks-Hilfe für die vom Staatssozialismus bedrängten reformierten Kirchen schon seit der Gründung des Hilfswerks 1946 Tradition. Während aber in Osteuropa territorial eher geschlossene Gebiete vorherrschen, sind die Reformierten im Libanon und in Syrien sehr kleine Kirchen, die nun durch Krieg und Flucht stark fragmentiert sind. Warum also spannt Heks nicht mit grösseren Partnern wie der Syrisch-Orthodoxen Kirche oder den katholischen Melkiten zusammen? «Die Zahl der Reformierten ist zwar klein. Aber ihr Einfluss auf die Gesellschaft ist markant», sagt Matthias Herren, der bereits im letzten Jahr die erste Erkundungsmission gestartet hatte. Herren erwähnt das hohe Bildungsniveau der Reformierten, ihre Bereitschaft zum Engagement im Bereich Bildung und Sozialwesen und auch, dass sie als «Minderheit innerhalb der Minderheit» zwischen den verschiedenen Religionsgruppen in Syrien vermitteln könnten.
Das ist erst der Anfang
Claude Ruey, Stiftungsratspräsident des Heks, weist noch auf einen anderen Punkt hin: «Die Projekte der kirchlichen Zusammenarbeit sind nicht nur der Solidarität von Schweizer Christen mit den Glaubensschwestern und -brüdern in Nahost verpflichtet.» Auch staatspolitisch sei das Tolerieren von Minoritäten wichtig, betont der ehemalige FDP-Nationalrat: «Der Umgang mit Minderheiten ist immer auch ein Lackmustest für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.» Minderheiten zwängen ein Land, gesetzliche Spielregeln auszuhandeln, und förderten damit die feste Verankerung von Meinungs- und Religionsfreiheit in einem modernen Staatswesen.
Mitte Mai wurden die ersten zwei Projekte bewilligt, die Heks dieses Jahr mit insgesamt 80 000 Franken unterstützt. Vor allem Projekte, die sich an Kinder und Jugendliche richten, wie Sonntagsschulen, Lager und schulische Unterstützung sollen gefördert werden. Soweit dies bei kirchlichen Angeboten möglich ist, sollen auch muslimische Kinder davon profitieren. Dass das Programm nach der Pilotphase wachsen wird, davon ist der Heks-Projektverantwortliche Herren überzeugt: «Weitere Projekte sind in Vorbereitung, die unser Volumen mindestens verdoppeln werden.»