Meinung 29. Dezember 2023, von Bernard DuPasquier / kirchenbote.ch

Hoffnung ist wie die Kerze im Sturm

Neujahr

Viele Konfliktherde, ungewisse Zeiten: Warum wir gerade in Krisenzeiten beharrlich in kleinen Schritten voranschreiten sollten, schreibt Bernard DuPasquier, Heks-Direktor a.i.

Wir leben in einer unruhigen, beängstigenden Zeit. Dieses Gefühl wird durch die Statistik bestätigt. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) weist für das Jahr 2022 weltweit 363 Konflikte nach, 216 von ihnen wurden mit Waffengewalt ausgetragen. 21 waren gemäss gängiger Definition Kriege. Von den meisten Kriegsschauplätzen erfahren wir allerdings kaum etwas aus den Medien. Dementsprechend wenig wissen wir über die oft verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung.

Andere Konflikte wiederum sorgen für Dauerschlagzeilen – entweder weil sie bedrohlich nah vor unserer Haustüre ausgetragen werden (Ukraine) oder weil sie uns aus einem historischen Kontext heraus emotional besonders bewegen (Israel/Palästina). Hier wie dort könnten uns Grausamkeit und Ignoranz sprach- und vor allem hoffnungslos machen.

Ich weigere mich, ohne Hoffnung zu sein.
Nadine Gordimer, Literatur-Nobelpreisträgerin

Der israelische Schriftsteller und Friedensaktivist David Grossmann beschreibt sinngemäss sehr gut das Gefühl, das auch mich hin und wieder umtreibt, wenn ich in meiner Arbeit als Heks-Direktor mit den Bildern und Berichten von Not und Elend in unseren Projektländern konfrontiert bin: «Der Versuch, mitten im Krieg an der Hoffnung festzuhalten, erscheint mir wie das Vorhaben, mit der Kerze in der Hand durch einen gewaltigen Sturm zu gehen.» 

Es gibt zum Glück aber auch genug jener Momente, in denen ich es eher mit den Worten der 2014 verstorbenen südafrikanischen Literatur-Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer halte. Diese bekannte einst scheinbar trotzig: «Ich weigere mich, ohne Hoffnung zu sein.» Gordimers Bekenntnis gründete auf ihren Erfahrungen im Widerstand gegen das brutale südafrikanische Apartheidregime.

Dessen weitgehend gewaltlos herbeigeführtes Ende zu Beginn der 1990er-Jahre war nur möglich geworden, weil Menschen wie Nelson und Winnie Mandela oder Bischof Desmond Tutu auch in den dunkelsten Zeiten gewalttätiger, rassistischer Unterdrückung und trotz Kerkerhaft und Folter die Hoffnung auf Frieden und Versöhnung nie aufgaben.

Es gibt viele Beispiele in der Menschheitsgeschichte, in denen sich Mut, Standhaftigkeit und Beharrlichkeit durchzusetzen vermochten.
Bernard DuPasquier, Heks-Direktor a.i.

Es gibt viele Beispiele in der Menschheitsgeschichte, in denen sich Mut, Standhaftigkeit  und Beharrlichkeit gegenüber Gleichgültigkeit oder Resignation durchzusetzen vermochten. Sie führten zum Ende der Gewalt und zu einem dauerhaften Frieden zwischen einst scheinbar unversöhnlichen Feinden. Dies sollte auch für uns Anlass zu berechtigter Hoffnung sein, dass unsere Vision von einer friedlicheren und gerechteren Welt keine Illusion bleiben muss, sondern dereinst gelebte Zukunft sein kann.

Wir bei Heks stellen unser Engagement für Frieden und Gerechtigkeit unter den Leitsatz: «Im Kleinen Grosses bewirken.» In unseren Projekten setzen wir darauf, in kleinen Schritten und in einem überschaubaren Umfeld gezielt auf eine Verbesserung der Lebensumstände der Menschen hinzuwirken. Dies gelingt auch uns nicht immer, aber doch oft und messbar mit Erfolg.

Es sind diese positiven Erfahrungen und die Lehren aus Misserfolgen, die uns motivieren, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Und je mehr Menschen sich im Laufe der Zeit mit uns auf diesen Weg machen, desto weit reichender, wirkungsvoller und letztlich auch schneller lässt sich ein Wandel herbeiführen – hin zu einem Leben in Würde, Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen von Herzen ein glückliches, friedvolles Jahr 2024.

​Bernard DuPasquier

​Bernard DuPasquier

Der Theologe ist Direktor ad interium des Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks).