Glaube 08. Mai 2024, von Felix Reich

Gegangen, um zu bleiben

Theologie

Nachdem Jesus auferstanden ist, sucht er seine Jüngerinnen und Jünger auf und verschwindet im Himmel. Himmelfahrt ist ein erzähltes Glaubensbekenntnis mit politischer Sprengkraft.

Himmelfahrt ist Ende und Anfang. Lukas erzählt den spektakulären Abgang von Jesus doppelt: zum Schluss seines Evangeliums und zu Beginn der Apostelgeschichte. 

In der ersten Version wird Jesus in den Himmel emporgehoben, während er seine Jüngerinnen und Jünger segnet, zu denen er zurückgekehrt ist. «Sie aber fielen vor ihm nieder und kehrten dann mit grosser Freude nach Jerusalem zurück» (Lk 24,51). Offenbar schmerzt der Abschied nicht, vielmehr findet die Erzählung ihr Happy End.

Romulus auf der Wolke

Das Bild vom Entschwinden in den Wolken hat Vorbilder im Alten Testament. Dort fährt der Prophet Elija «im Sturmwind in den Himmel auf» (Kön 2,11). Aber auch in der römischen Mythologie war das Motiv der Himmelfahrt verbreitet. Allerdings war sie hier oft mit politischer Macht verknüpft. 

So soll Romulus von einer Militärpatrouille abgeholt worden und auf einer Gewitterwolke in den Himmel entrückt sein, bevor er als Himmelsbote mit der Aufforderung im Gepäck, das römische Imperium auf die ganze Welt auszuweiten, zurückkehrte.

Vergötterung der Macht

In Rom etablierte sich gar ein politisches Verfahren, um Herrscher zu vergöttern. Die Leiche des Kaisers wurde öffentlich verbrannt. Wenn während des Rituals jemand bezeugen konnte, dass die Seele von einem Adler in den Himmel begleitet worden war, konnte der Senat einen Kaiser per Dekret postum in den Status eines Gottes erheben.

Vor diesem Hintergrund wird die Himmelfahrt, wie sie der Evangelist Lukas erzählt, zur politischen Provokation. Die Bewegung, die Jesus gegründet hatte, war für das Imperium zur Bedrohung geworden. Jesus setzte ganz auf die Kraft der Liebe und kritisierte Machtstrukturen. Den Weg der Gewaltfreiheit ging er konsequent bis ans Kreuz.

Absage an die Gewalt

Von den Spuren der Folter und den Stigmata des Todes gezeichnet, kehrte Jesus an Ostern zurück. Nun wird ausgerechnet er, der den Götzendienst an Machtgier und Besitz kritisiert hatte, als ein universaler Herrscher installiert, indem er einen Abgang im Stil eines Kaisers erhält. Vergöttert wird jetzt aber nicht die Macht: «Gott ist Liebe» (1 Joh 4,16).

Himmelfahrt ist eine radikale Absage an das Programm der politischen Herrschaft durch Gewalt. Vielleicht lässt diese Interpretation die Jüngerinnen und Jünger so glücklich nach Jerusalem zurückkehren.

Bruchstücke des Himmels

In der Apostelgeschichte nimmt Lukas den Erzählfaden wieder auf. Nun wird die Himmelfahrt zum Anfang und als Auftrag gedeutet. Nachdem Jesus entrückt ist, starren die staunenden Zeuginnen und Zeugen noch in die Wolken. Sogleich werden sie von zwei Engeln ermahnt: «Was steht ihr da und schaut in den Himmel?» (Apg 1,11).

Wer Gott sucht, soll nicht beim Blick in den Himmel stecken bleiben. Vielmehr gilt es, Bruchstücke des Himmels, wie ihn Jesus in die Welt gebracht hat, zum Leuchten zu bringen: mit einem guten Wort, wenn Sprachlosigkeit herrscht, Trost in der Nacht der Verzweiflung, einem Stück Brot, wo der Hunger quält.

Und es braucht den Mut zum Widerspruch, wenn das Unrecht des Stärkeren regiert, und die Kraft der Versöhnung, wo der Hass spaltet.

Zurück in der Bildlosigkeit

Wer an die Grenzen des rationalen Denkens stösst, weil er die Himmelfahrt als historischen Bericht lesen will, droht zu verkennen, was die Erzählung wirklich will. Sie ist ein Bild, narrative Theologie, erzähltes Glaubensbekenntnis und steht für die Zuversicht, dass die Welt in Wahrheit von der Liebe regiert wird, nicht von der Gewalt. 

Die Erzählung von der Himmelfahrt nimmt das alttestamentliche Motiv von Gott auf, der sich zugleich offenbart und verhüllt: Mose zeigt er sich als Wolkensäule und spricht dennoch «von Angesicht zu Angesicht» (Ex 33,11) mit ihm. Jesus kam an Weihnachten als ein verletzliches Kind in die Welt und nahm Gestalt an. Mit dem spektakulären Bild der Himmelfahrt kehrt er in die Nichtdarstellbarkeit Gottes zurück.

Bis ans Ende der Welt

Himmelfahrt nährt also die Hoffnung, dass Christus gegangen ist, um zu bleiben: «Und seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende» (Mt 28,29).